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"Anlässlich des Todestages von Malcolm X"

Kaan Orhon
20.02.2015

Bismillah

Gedanke zum Freitag

Heute von: Kaan Orhon, RAMSA-Vizepräsident und Islamwissenschaftler aus Göttingen
Der Bürgerrechtler und Intellektuelle Malcolm X (Malik El-Shabazz) schrieb in einem Brief aus Mekka:

“Hier bin ich, zurück in Mekka. Ich bin noch immer auf Reisen, versuche, meinen Horizont zu erweitern, denn ich habe zu viel von dem Schaden gesehen, den Engstirnigkeit anrichten kann und wenn ich heimkehre nach Amerika, werde ich all die Energie die ich habe dafür einsetzen, diesen Schaden zu reparieren.“

Am 21.02. jährt sich zum 50. Mal die Ermordung eines der wichtigsten muslimischen Aktivisten des 20. Jahrhunderts. Mehr als genug Anlass um seiner zu gedenken und Inspiration aus seinem Leben und Werk zu ziehen, länger als nur für einen Tag.

Und sein zu kurzes Leben ist reich an Inspiration: nicht nur seine persönliche charakterliche, spirituelle und politische Wandlung; sein unbändiges Streben nach Wissen und vor allem auch nach praktischem Nutzen aus diesem Wissen, sondern auch sein Verständnis eines islamischen Aktivismus.

Die bei vielen Muslimen bekannteste und populärste Begebenheit bzw. Phase in Leben, die auch in seiner Biographie und deren Verfilmung eine prominente Rolle einnimmt, ist seine Pilgerreise nach Mekka und die Abwendung von der Ideologie der sogenannten „Nation of Islam“, die in vielem ein Spiegelbild dessen darstellte, was er bekämpfte. Er wandte sich einem anderen, an den islamischen Quellen orientierten und damit universellen und anti-rassistischen Islamverständnis zu, nachdem er erlebt hatte, wie der gemeinsame Glaube Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft, Nationalität und Sprache verbinden konnte.

Umso mehr sollte aber die Bedeutung der Tatsache beachtet werden, dass die Überwindung der Diskriminierung und Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung in den USA sein wesentliches Ziel blieb, unabhängig von deren Religionszugehörigkeit. Ebenso verhielt es sich mit seinen Bemühungen für die eine afrikanische Einheit und gegen den Kolonialismus und die wirtschaftliche Ausbeutung Afrikas, muslimischer und nichtmuslimischer Länder gleichermaßen. Es war ein Aktivismus, der im Islam seine Motivation fand, dessen Vision aber das Wohl und die Freiheit aller waren.

Malcolm X verstand den Islam als Lösung für viele der Probleme und als Brücke über die Gräben der amerikanischen Gesellschaft, aber die Religion war keine Vorbedingung für die Empathie mit den Unterdrückten, sie spielte keine Rolle für die Frage nach Recht oder Unrecht.

Und damit ist er der Gegenentwurf zu einem Verständnis von islamischem Aktivismus, welches leider immer noch weit verbreitet ist und welches seine Aufgabe im Verfechten von Gruppeninteressen „der Muslime“ gegenüber „den anderen“ sieht. Ob man eine bestimmte Sache unterstützt, ob man mit einer Person oder Gruppe mitfühlt, ob man gegen ein Unrecht angeht, wird davon abhängig gemacht, ob es Muslime sind, und öfter als nicht werden auch innerhalb der Muslime noch Unterscheidungen gemacht nach Konfession, Nationalität, Grad der persönlichen Religiosität und dergleichen.

Im Gegensatz dazu sollte islamischer Aktivismus eine generelle Verbesserung der Gesellschaft und der Lebensbedingungen aller Menschen zum Ziel haben, was logischerweise auch das Vorankommen der Muslime als Gruppe beinhaltet.

Im konkreten Fall unserer Arbeit sollte das Bemühen um einen Gebetsraum für Muslime an der Hochschule Teil eines generellen Bestrebens sein, Studierenden die Auslebung ihres Glaubens innerhalb des Studiums zu ermöglichen; sollte der Kampf gegen Islamfeindlichkeit Teil eines Kampfes gegen alle Formen von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit in allen Schattierungen sein.

Wer als Muslim zum Aufstehen gegen antimuslimische Hetze aufruft, aber sich von Antisemitismus nicht berührt fühlt, der legt eben jene beschränkte, engstirnige, schädliche Weltsicht an den Tag, von der eingangs die Rede war. Im schlimmsten Fall müssen sich Einzelne, die nicht nur über den Tellerrand der eigenen Gruppeninteressen schauen können, sondern das auch praktisch umsetzen, religiösen Relativismus und mangelnde Loyalität zu den „eigenen Leuten“ vorwerfen lassen. Die Probleme anderer, so die Logik, sind nicht unsere, mehr noch, wir bringen unsere Sache nur auf Kosten anderer voran… In derart beschränktem Einsatz ist auch keine Werbung für den Islam, im Gegenteil, besonders wenn das Engagement nur für die eigene Gruppe mit Forderungen an andere einhergeht, gibt es ein wahrhaft schlechtes Bild ab.

Gelebter Islam muss eben den Horizont weiten und Verständnis und Empathie wecken für die Belange und Nöte aller, islamischer Aktivismus muss die Verteidigung der Rechte und der Würde, die Versorgung, den Schutz und das Vorankommen aller zum Ziel haben, um bei anderen Menschen das Bild von Allahs Religion zu hinterlassen, das ihrer angemessen ist.

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.

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