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„Antisemitismus“ – Gedanke zum Freitag

Kaan Orhon
29.01.2021

Bismillah

„Antisemitismus“ – Gedanke zum Freitag

 

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der sinngemäßen Übersetzung:

„Oh ihr, die ihr glaubt, seid Wahrer der Gerechtigkeit, Zeugen für Allah, auch wenn es gegen euch selbst oder die Eltern und nächsten Verwandten sein sollte! Ob er reich oder arm ist, so steht Allah beiden näher. Darum folgt nicht der Neigung, daß ihr nicht gerecht handelt! Wenn ihr (die Wahrheit) verdreht oder euch davon abwendet, gewiß, so ist Allah dessen, was ihr tut, kundig.“

((an-Nisa:135))

 

Vor zwei Tagen gedachten in Deutschland und der ganzen Welt Millionen von Menschen der Befreiung des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz vor 76 Jahren.

Vor etwa einem Jahr hatte eine Delegation islamischer Gelehrter und anderer muslimischer Vertreter*innen, organisiert von der Muslimischen Welt Liga, zum 75. Jahrestag der Befreiung die Gedenkstätte in Auschwitz besucht. Der damals medial stark rezipierte Besuch war ein wichtiges und wertvolles Zeichen für die Beziehungen zwischen Muslim*innen und Jüd*innen auf der ganzen Welt.

Spezifisch hier in Deutschland sollten derartige Aktionen, die wesentlich mehr als nur „symbolischen“ Wert haben, von den muslimischen Gemeinden, Verbänden und Organisationen dauerhaft und sichtbar durchgeführt, zu den grundlegenden Selbstverständlichkeiten der Arbeit gehören.

Warum?

Weil Antisemitismus leider auch unter Muslim*innen existiert, in Deutschland und anderswo. Das äußerte sich beispielsweise in der Verurteilung des muslimisch-jüdischen Auschwitz-Besuches durch die üblichen Unbelehrbaren als „inakzeptablen Ausdruck der Normalisierung mit Israel“. Diese Haltung manifestierte sich auch erst vor wenigen Monaten in der Kritik an einer Veranstaltung einer muslimischen Hochschulvereinigung zum Thema arabisch-israelische Beziehungen, die als Kommentar unter unserer Werbung für die Veranstaltung auf sozialen Medien hinterlassen wurde.

Gleichheit impliziert Rechte und Pflichten

Muslim*innen sind gleichberechtigter und gleichwertiger Teil der Gesellschaft. Diese Gleichheit gilt es in vielen Bereichen, von Religionsunterricht über Seelsorge bis zur Anerkennung als Religionsgemeinschaften noch umzusetzen. Und muslimische Akteur*innen setzen sich bereits unermüdlich auf allen Ebenen der Gesellschaft dafür ein. Aber zur Gleichheit gehören ebenso gleiche Pflichten wie gleiche Rechte und als Teil der deutschen Gesellschaft ist es auch unsere unbedingte Pflicht, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen und jüdisches Leben in Deutschland zu verteidigen.

Denn Menschenrechte sind unteilbar. Prominente jüdische Persönlichkeiten, darunter viele Überlebende des Holocaust haben als konkrete Lehre aus der Parole „Nie wieder Auschwitz“ die moralische Verpflichtung gezogen, gegen den Völkermord in Bosnien aufzustehen und für die Opfer die Stimme zu erheben. Jüdische Studierende in Deutschland treten heute in die Fußstapfen dieser Menschen mit der „Never Again Right Now!“- Kampagne der Jüdischen Studierendenunion JSUD gegen den gegenwärtig stattfindenden Völkermord an den Uigur*innen. Die zentralen Werte der Gerechtigkeit und Menschlichkeit im Islam verpflichten uns als Muslim*innen unsererseits mit Wort und Tat jedes Unrecht anzuprangern und zu bekämpfen und nicht nur jenes, das uns selbst betrifft.

Wahrheit und Gerechtigkeit

Am allerwichtigsten aber:

Weil es richtig ist. Im Sinne des Verses der Offenbarung am Anfang, den auch der Generalsekretär der Muslimischen Weltliga, Dr. Muhammad bin Abdul Karim Issa, als Motivation für die Organisation der muslimischen Delegation nach Auschwitz anführte:

Die Schoah ist eine Tatsache menschlicher und speziell deutscher Geschichte, ein Verbrechen unvorstellbaren Ausmaßes und ein niemals gutzumachendes Unrecht, das bis heute in unsere Gesellschaft und in das Leben vieler unserer Mitmenschen nachwirkt. Das ist die Wahrheit.

Jede Leugnung des Holocaust, jedes Verharmlosen oder Rechtfertigen, jedes Verächtlichen der Opfer, jeder dumme und amoralische Vergleich etwa mit der Diskriminierung von Muslim*innen in Deutschland heute oder aber mit Infektionsschutzmaßnahmen sind Lüge und Unrecht.

Zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Recht und Unrecht gibt es keinen Ausgleich und keine Koexistenz. Wahrheit und Gerechtigkeit sind elementarste islamische Werte und jeder Muslim und jede Muslima ist immer und bedingungslos verpflichtet, für sie Partei zu ergreifen, sie hochzuhalten und zu verteidigen und im Sinne des Quran: Zeuge zu sein.

Der RAMSA wünscht Euch einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.