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Die Freiheit des Glaubens

Kaan Orhon
24.02.2017

Bismillah
„Die Freiheit des Glaubens“ – Gedanke zum Freitag

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:

„Und hätte dein Herr es gewollt, so hätten alle, die insgesamt auf der Erde sind, geglaubt. Willst du also die Menschen dazu zwingen, Gläubige zu werden?” ((Yunus:99))

Der Glaube ist ein Geschenk des Erbarmers, ein individuelles Geschenk, welches uns mit Ihm verbindet. Wir können andere Menschen durch unser Leben an der Schönheit unseres Glaubens teilhaben lassen, wobei es gilt, jene Grenzen zu achten und zu respektieren, deren Achtung wir uns für uns auch von anderen wünschen. Wir können aber niemandem die Begeisterung und Erfüllung, die unser Glaube uns bringt, aufzwingen, diese „glaubend machen“. Der Versuch, dies zu tun, ist nicht nur sinnlos sondern auch falsch, ein Vergehen gegen die vom Schöpfer verfügte Ordnung der Welt und Natur des Menschen, die den Glauben zu einer Sache zwischen jedem einzelnen Menschen und Allah macht.

Soweit im Kurzen der letzte Gedanke. Über der Ebene des Individuums gibt es noch eine weitere, die zu betrachten sich lohnt. Der Zugang des Menschen zum Glauben ist individuell, da es ebenso in der Natur des Menschen liegt, mit anderen Menschen in Beziehungen zu treten. Natürlich ist Glaube auch Gegenstand dieser Beziehungen. Der RAMSA ist eine Organisation, ein Geflecht verschiedener Individuen, die ihr persönlicher Glaube in Beziehung zueinander geführt hat, um gemeinschaftlich zu arbeiten.

Teil der zu Grunde liegende Vision dieser Arbeit ist, einen Beitrag zu leisten zu einer Gesellschaft, in der der Glaube in Freiheit praktiziert werden kann. Das bedeutet ebenso, die Freiheit der Glaubenden wie auch der Nichtglaubenden zu achten. Einen Raum zu schaffen, in dem Glaubens- und Lebensentscheidungen selbstbestimmt getroffen werden können und die Menschen ihre Beziehungen untereinander dementsprechend gestalten können.

Und damit verbunden die Zurückweisung, der von bestimmten Strömungen verfolgten Vision, der Sinn und Zweck islamischer Arbeit sei, einen bestimmten Grad von Einfluss, von politischer und gesellschaftlicher Macht zu erreichen, die es ermöglichen würde, die Menschen „gläubig zu machen“, ihnen Glaubensvorstellung, Lebensweg und die Natur ihrer Beziehungen untereinander vorzugeben. Dieser Weg ist naturgemäß immer zum Scheitern verurteilt und gereicht Gläubigen und Nichtgläubigen gleichermaßen zum Schaden.

Die Verteidigung der Freiheit des Individuums ist dabei nicht gleichzusetzen mit Beliebigkeit im Glauben, in den Vorstellungen von Richtig und Falsch. Im Gegenteil, die Freiheit der Entscheidung unserer Mitmenschen zu – unserer eigenen Meinung nach – ihrem persönlichen Erfolg oder Schaden zu respektieren, bedingt Festigkeit in unseren Überzeugungen, bedingt, dass wir mit dem was wir glauben und leben im Frieden sind. Der Wunsch nach Kontrolle über andere Menschen, das Streben, ihr Verhalten in unserem Sinne zu normieren, resultiert aus Schwäche. Es resultiert daraus, dass ihre Freiheit, anders zu entscheiden als wir, unsere Weltsicht bedroht.

Die Natur des Menschen ist es, stets in allen Dingen der Freiheit zuzustreben und von dem abgestoßen zu werden, was die Freiheit einschränkt. Jemand hat es einmal am Beispiel der Türkei und des Iran festgemacht und an der Frage des Hijab. Dass hier der Gewalt des Staates begegnet wurde, um für das Recht auf das Tragen des Hijab einzutreten und dort, um sich vom Zwang dazu zu befreien, ist eben nicht ein Indikator dafür, dass die eine Gesellschaft grundsätzlich „gläubiger“ ist als die andere, sondern dass die Inhaber von Macht derselben und ihrer zugrunde liegenden Ideologie nicht sicher waren und die deshalb die Unterordnung des Einzelnen zu erzwingen suchten.

Dagegen steht die Vision einer Gesellschaft, in der die Freiheit aller die Entscheidungen, den Glauben und die Rechte des Einzelnen und auch der auf Grundlage freier Assoziation entstandener Gemeinschaften schützt.

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.

Heute von: Kaan Orhon, Islamwissenschafter und Mitglied des Ältestenrates