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"Ein Jahr danach"

Kaan Orhon
12.02.2016

Bismillah
Gedanke zum Freitag:
Heute von Kaan Orhon, RAMSA-Vizepräsident und Islamwissenschaftler aus Göttingen

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:

„Und meine ja nicht, diejenigen, die auf Allahs Weg getötet worden sind, seien (wirklich) tot. Nein! Vielmehr sind sie lebendig bei ihrem Herrn und werden versorgt.“ ((Al-i-IImran:169))

Am 10. Februar 2015 wurden Deah Shaddy Barakat, Yusor Mohammad Abu-Salha und Razan Mohammad Abu-Salha, drei muslimische amerikanische Studierende zwischen 19 und 23 von einem Nachbarn ermordet. Ein Jahr nach ihrem viel zu frühen Tod ist es angebracht, ihrer zu gedenken und über das großartige Beispiel und Zeugnis zu reflektieren, das die drei uns hinterlassen haben.

Dabei geht es gerade nicht darum, sie zu Lichtgestalten zu verklären und ihrer als Symbole zu huldigen, sondern im Gegenteil darum, sie als dass zu zeigen und in Erinnerung zu behalten, was sie waren. Normale, engagierte junge Menschen, die ihre eigenen Pläne und Interessen hatten, Familie, Karriere, Sport und vieles mehr. Und zwischen all dem haben sie einen Teil ihrer Zeit und ihrer Kraft der Hilfe für ihre Mitmenschen gewidmet. Menschen in Palästina und Syrien ebenso wie wohnungslosen Menschen in ihrer Nachbarschaft, Muslimen und Nichtmuslimen. Nicht als eine PR-Offensive, um der Welt in diesen Zeiten einen anderen, schönen Islam zu zeigen – auch wenn es letztlich genau das war, was sie taten. Nein, es war einfach das richtige zu tun und sie taten es aus ihrer Menschlichkeit heraus, bis sie Opfer der Unmenschlichkeit eines anderen wurden.

Und der Segen und die Menschlichkeit ihrer Taten wirken über ihren Tod hinaus, in dem es Menschen bewegte und noch immer bewegt. Sie spendeten für die Projekte, die die drei unterstützt hatten und für andere, sie fanden Inspiration ähnliches in ihrer Stadt, in ihrem Land zu beginnen.

Der Lebensweg der drei war in der Tat Allahs Weg, so unendlich viel mehr als der anderer Menschen, die behaupten, sich auf diesem zu befinden. Und wenn wir an sie denken, so sollten wir zum Trost in dem Vertrauen finden, dass sie liebende Aufnahme und versorgen finden werden, bei Dem, der sie geschaffen hat. Und wir sollten uns vergegenwärtigen, dass wir ihren Weg weiter gehen können und sollen. Dass wir das können mit scheinbar kleinen Dingen in unserer Nähe. Kranke besuchen, Nachhilfe geben und oder Gabe an einen Bedürftigen, in einer Weise die ihm seine Würde belässt… all dies sind Schritte auf Allahs Weg, dies ist bezeugt durch Seine Worte und die Sunna seines Gesandten und wir empfinden es auch in uns.

Überall in Deutschland folgen muslimische Studierende (neben Menschen aus allen anderen Lebensbereichen) diesem Weg, so wie Deah, Yusor und Razan ihm gefolgt sind. Mancher mag argumentieren, dass dies noch stärker öffentlich gemacht und wahrgenommen werden sollte. Und vor dem Hintergrund der sogenannten „Debatten“ um alles, was irgendwie mit dem Islam und Muslimen zu tun hat, ist man geneigt dem zuzustimmen. Aber dabei kann leicht in Vergessenheit geraten, dass es wahrgenommen wurde und wird, und zwar von den Menschen, in deren Leben sie einen Unterschied gemacht haben. Und ebenso von Allah dem Erhabenen, zu dem wir alle früher oder später mit unseren Taten heimkehren werden.
Als ich vor vielen Jahren mit der islamischen Arbeit an der Universität begann, kursierte gerade ein Video, ebenfalls von Muslimen aus den USA, zu einem Lied des muslimischen Country-Sängers Kareem Salama. Auf Schilder schrieben amerikanische Muslime, was sie der Welt gern mitteilen würden. Eine dieser Botschaften lautete: „Ich hoffe, dass wenn ich sterbe, die Armen, die Schwachen und die Unterdrückten mich vermissen.“

Diese und noch viele, viele andere Menschen vermissen Deah, Yusor und Razan. Und hoffentlich irgendwann auch jeden von uns. Es bedarf dazu nicht viel.

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.