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Gedanke zum Freitag: Srebrenica - 25 Jahre danach

10.07.2020

Bismillah

„Srebrenica: 25 Jahre danach“  -  Gedanke zum Freitag

Der muslimische Denker und erste Präsident des Staates Bosnien-Herzegowina, Alija Izetbegović (rh) sagte zur Frage der Schuld für den Massenmord in Srebrenica:

"Wer ist schuld? – Die größte Schuld tragen definitiv die Mörder und ihre Auftraggeber, aber wir sind alle schuld, wir alle Überlebenden, nur nicht die Opfer. Wenn etwas so Schreckliches passiert, wie Srebrenica, dann ist niemand unschuldig, jeder Mann und jede Frau ist schuldig, weil die Welt so ist, wie sie ist und weil so eine Welt möglich ist, in der Srebrenica möglich ist.“

Wir erinnern in diesem Jahr – so wie in den vergangenen und mit Allahs Erlaubnis auch in den kommenden Jahren –  an den Völkermord in Bosnien und an das Massaker in Srebrenica am 11. Juli 1995 als seinen grauenhaften Höhepunkt.

Ein Vierteljahrhundert ist vergangen seit jenem schrecklichen Tag.

Das mag nach viel klingen, doch es ist kaum ein Augenschlag der Geschichte.

Das lehrt uns auch die Betrachtung der Erinnerung an anderes historisches Unrecht; an Verbrechen, Gewalt und das Leid, dass verursacht wurde.
In diesem Jahr hat ganz Europa zum 75. Mal an das Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert und damit auch an das Ende des nationalsozialistischen Massenmordes an den Jüdinnen und Juden Europas, an Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuellen, Menschen mit Behinderungen oder Erbkrankheiten und anderen Gruppen, denen ihr Lebensrecht durch eine kriminelle Ideologie abgesprochen wurde.

Andere Wunden der Geschichte, die in diesen Tagen wieder mehr denn je vielen Menschen präsent sind oder werden und sie dazu bewegen, ihre Stimme zu erheben oder auf die Straßen zu gehen:
Das Unrecht von Rassismus, Kolonialismus und Sklaverei in den USA, Afrika, Europa und anderen Teilen der Welt. Rassismus ist auch nach Jahrhunderten gegenwärtig, aber in diesen Zeiten auch für viele ein Antrieb, zu versuchen, die Welt von heute zum Besseren zu verändern.

Gedenken an Srebrenica und den Völkermord in Bosnien sind uns dabei nicht nur ein ideelles Erinnern, in der Hoffnung, Lehren zu ziehen und uns alle miteinander für eine bessere Welt einzusetzen; eine Welt in der im Sinne der Worte von Alija Izetbegović kein weiteres Srebrenica mehr möglich sein wird.

Es gilt darüber hinaus, das Bewusstsein dafür wachzuhalten, dass viel Unrecht noch immer auf Wiedergutmachung wartet. Und dass dieses Unrecht auch in Deutschland viele Menschen unmittelbar betrifft, etwa Überlebende und Angehörige von Ermordeten. Kinder, die in den Jahren des Krieges in Bosnien geboren wurden, sind nun junge Erwachsene und leben in Deutschland in einer Gesellschaft in der nicht nur der Völkermord noch immer von verschiedener Seite geleugnet wird, sondern in der Politiker ganz offen eine Wiederholung in Aussicht stellen.

Denn das und nichts anderes bedeutet etwa die Aussage von Björn Höcke:

„Wir werden die Macht bekommen - und dann werden wir das durchsetzen, was notwendig ist, damit wir auch in Zukunft noch unser freies Leben leben können. Dann werden wir nämlich die Direktive ausgeben, dass am Bosporus mit den drei großen M - Mohammed, Muezzin und Minarett - Schluss ist.“

Er und alle seine Gesinnungsgenossen haben öffentlich den Mantel von Ratko Mladic übergestreift, der am Vorabend des Mordens in Srebrenica erklärte, die „Zeit der Rache an den Türken“ sei nun gekommen.

Die Morde damals schlossen ab, was mit der als „ethnischer Säuberung“ verharmlosten Vertreibung von Muslimen, der Sprengung von Minaretten und Moscheen und der Zerstörung muslimischer Friedhöfe begann – also dem Kampf gegen die sogenannte „Islamisierung“.

Wenn wir an Srebrenica erinnern, sollten wir uns auch immer an diese und ähnliche Worte erinnern.

Viele der Millionen Muslime diesseits des Bosporus, in Bosnien, im Sandžak, im Kosovo, in Albanien, Mazedonien, Bulgarien oder Thrakien, deren Existenz gemäß Höckes Vision nach der Machtergreifung enden soll, können aus der Geschichte Zeugnis ablegen, wohin es führt derartige Reden zu ignorieren.

Erinnern an Srebrenica muss also auch Kampf gegen zukünftiges Unrecht bedeuten.

Aber nicht einen Kampf der Hass und Menschenverachtung mit gleichem von unserer Seite beantwortet. Ein Kampf gegen dieses Unrecht verwirklicht sich in der Entwicklung und Gestaltung einer anderen, besseren Welt. Von Bosnien können wir in dieser Hinsicht lernen. Das haben nicht zuletzt viele unserer Mitglieder auf unseren Reisen nach Bosnien selbst erfahren dürfen.

Bei allen Schwierigkeiten, die Bosnien-Herzegowina heute hat, wirtschaftlichen, politischen und anderen, von denen nicht wenige dem Kriege geschuldet sind, ist das Land voll von bewundernswerten Beispielen für Versöhnung und Aufbau. Von der Verteidigung der Vision eines multireligiösen, multiethnischen Bosnien durch Angehörige aller Bevölkerungsgruppen während des Krieges zum bis Einsatz von Hatidža Mehmedović – möge Allah ihr barmherzig sein – und der Mütter von Srebrenica, die für Gerechtigkeit und Versöhnung eintreten.

Allah der Erhabene sagt in seinem Buch:

„Nicht gleich sind die gute Tat und die schlechte Tat. Wehre mit einer Tat, die besser ist, die Schlechte ab, dann wird derjenige, zwischen dem und dir Hass war, so, als wäre er ein warmherziger Freund.“ ((Fussilat:41))

Dies ist heute und soll in allen Jahren, die noch kommen, die Grundlage unseres Erinnerns sein.

In diesem Sinne wünscht Euch der RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.