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"Keine lasttragende Seele nimmt die Last einer anderen auf sich"

Kaan Orhon
11.04.2014

Bismillah...

Keine lasttragende (Seele) nimmt die Last einer anderen auf sich. Und wenn eine Schwerbeladene (zum Mittragen) ihrer Last aufruft, wird nichts davon (für sie) getragen, und handelte es sich dabei um einen Verwandten. (Fatir:18)
Jede Seele haftet für das, was sie erworben hat...      (al-Muddattir :38)

Für einige Personen des öffentlichen Lebens, die hier namenlos bleiben sollen, hat das warnen vor der muslimischen Gefahr gerade wieder Konjunktur. Woran es auch liegt, ob das Konto leer ist oder das eigene maßlos übersteigerte Ego mal wieder aufpoliert werden muss, fest steht: die Hatz ist eröffnet, das aktuelle Motto lautet „islamischer Faschismus“.

Die Argumente oder besser Parolen die aufgeführt werden, sind nicht neu, sie sind es nie, all die Hetzer unterschiedlicher ideologischer Couleur die sich aufeinander folgend eine mediale Existenz auf dem Dämonisieren von Muslimen aufgebaut haben, verwenden im Wesentlichen den selben Satz von Halb- und Unwahrheiten, verallgemeinerten Einzelfällen und aus dem Zusammenhang losgelösten Textstellen, die sie nur immer wieder neu kombinieren und dann schrill und hysterisch in die Welt hinaus schreien.:

Die Muslime sind eine fremdartige und immer feindselige amorphe Masse, die aus anderen Regionen der Welt kommt, unabänderlich auf gewaltsame Unterwerfung und Expansion fixiert, ideologisiert und hasserfüllt aber dabei auch schein-freundlich, trügerisch und verlogen. Sie wandern in Massen ein, vermehren sich wie Ratten, planen Terrorattacken alles mit dem Ziel, Andersdenkenden zu schaden, sie zu unterdrücken oder sogar auszurotten bis nur sie und ihre Herrschaft übrig sind. Eben das ist ausformuliert die Bedeutung eines Begriffes wie „Islamfaschismus“.

All das ist nun schlimm, aber auch hinreichend bekannt. Wie schon gesagt, diese Horrorszenarien werden von wechselnden Figuren ohne Pause in Wort und Schrift verbreitet.

Warum sich also noch damit beschäftigen?

Weil dieses Denken ein Gift ist, dass uns beeinflusst, auch wenn wir uns dem faktischen Inhalt der Aussagen widersetzen. Die Tendenz, Menschen in „die“ und „wir“ zu teilen, ist immer und überall vorhanden, natürlich sind Muslime nicht über diese menschliche Schwäche erhaben. Man braucht leider oft nicht lange zu suchen, bis man auf Aussagen dieser Natur stößt: die Medien…der Westen…die Juden…die Sunniten, die Schiiten…die Sufis, die Salafisten…die Liberalen, die Konservativen…und so weiter und so fort. Auch wir erschaffen uns Kollektive, von denen wir uns abgrenzen. Das kann natürlich auch geschehen ohne die Einflüsse der medialen Islam-„Debatten“. Aber sie fördern es massiv.

Einzelpersonen machen sich in ihrer Arroganz selbst zu Sprechern und Vertretern der nicht-muslimischen Bevölkerung oder zumindest der vielbeschworenen schweigenden Mehrheit davon, und polemisieren gegen „die Muslime“ die nicht zum Land, nicht zur Gesellschaft gehören sollen.

Es ist unsere Verantwortung, nie zu vergessen, dass wir selbst und allein für unsere Entscheidungen, unser Verhalten und Handeln, verantwortlich sind. Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Denken sich in das von den Islamhassern propagierte „die gegen uns“ Schema pressen lässt, sondern müssen jeden Menschen als Individuum entsprechend seiner Aussagen und Taten beurteilen. Wir tun anderen Menschen Unrecht, wenn wir den Hetzern die Vertreterposition zugestehen, die sie für sich beanspruchen, und wir schulden es uns als zur freien Entscheidung fähige Individuen, uns nicht überall und jederzeit für die Taten anderer Menschen zu rechtfertigen, nicht zu Repräsentanten eines von anderen konstruierten Kollektivs machen zu lassen.

Wir und auch die Schaumschläger und Hetzer werden irgendwann versammelt um über unsere Taten Rechenschaft abzulegen, und dann stehen wir für uns selbst ein und nur für uns selbst. Wenn wir zulassen, dass wir in das gegeneinander aufhetzen und ausspielen von Menschen hineingezogen werden und einem einzigen Menschen Unrecht tun, weil er zu „den anderen“ gehörte, werden wir die Folgen dieser Tat sehen und die Konsequenzen tragen müssen. Wir können dann nicht darauf verweisen, dass uns jemand weißgemacht hat, der Betreffende sei unser Feind gewesen aufgrund eines Etiketts, das wir oder jemand anders ihm umgehängt haben. Wir werden dann mit unseren Taten allein sein.

Möge Allah der Erhabene uns davor bewahren, von Vernunft und Gerechtigkeit abzuweichen, möge Er mit dem Werk, das wir vorrausschicken zufrieden sein und uns unsere Fehler und Schwächen verzeihen.

Möge Er uns beistehen an dem Tag, wenn es außer Ihm keinen Beistand gibt.

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende!

(Kaan Orhon ist RAMSA-Vizepräsident und Islamwissenschaftler aus Göttingen)