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Zeichen setzen

Kaan Orhon
19.09.2014

Titelbild: Mevlana Moschee Berlin / 19.09.14 - Ömer Sefa Baysal

 

Bismillah

Gedanke zum Freitag
Heute von: Kaan Orhon, RAMSA-Vizepräsident und Islamwissenschaftler aus Göttingen

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:

„Dies sind die Zeichen Allahs, die Wir der Wahrheit entsprechend verlesen. Und Allah will keine Ungerechtigkeit für die Weltenbewohner.“ ((Al-i-IImran:108))

In und vor Deutschlands Moscheen wird heute ein Zeichen gesetzt, gegen Hass und Unrecht. Die Aktion ist eine gemeinsame Anstrengung der Verbände und Gemeinden. Es ist eine gute und wertvolle Aktion, die die Muslime in Deutschland mit allen Kräften unterstützen sollten.

Und sie ist ein Anlass, darüber nachzudenken, was es bedeutet, Zeichen zu setzen, und wofür.

In unserem Land sind es vor allem die Angriffe auf Gotteshäuser, auf Synagogen und Moscheen, die den Hintergrund der Aktion bilden. Und im Hintergrund spielen auch die Gräuel unserer Zeit im Irak und in Syrien eine Rolle und was die Bilder und Nachrichten von dort in unserer Gesellschaft bewegen.

Es gibt, nicht erst in diesen Tagen sondern schon seit langer Zeit, Stimmen unter den Muslimen und auch unter Nichtmuslimen, die vor der Schaffung einer Distanzierungskultur warnen, davor, es zu einer Notwendigkeit zu machen, dass die deutschen Muslime sich von jedem irgendwo auf der Welt von Muslimen begangenen Verbrechen rituell öffentlich distanzieren, weil es nicht zu tun ihnen als Unterstützung des Verbrechens ausgelegt wird.

Deutschlands Muslime seien weder individuell noch (erst recht nicht) kollektiv für Verbrechen im Irak verantwortlich zu machen und auch nicht für antisemitische Parolen und Gewalttaten von Muslimen in Deutschland gegen Synagogen. Fortwährend zu beteuern, dass all dies nicht mit dem Islam zu vereinbaren ist, erreiche wenn überhaupt das Gegenteil, nämlich diese Assoziation erst recht herzustellen, so warnen die Kritiker und weisen darauf hin, dass die Distanzierungskultur einseitig sei, sich von Verbrechen an Muslimen nicht im selben Maß distanziert werde. Und schließlich, dass die seit jeher erfolgten Distanzierungen nichts verändert haben: spätestens seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 ist die Verurteilung und Distanzierung von jedem Verbrechen und von den Tätern Selbstverständlichkeit – und ebenso selbstverständlich wird nach jedem neuen Terrorakt oder Massaker von stets denselben gesellschaftlichen Akteuren verkündet, die Muslime hätten sich nie von den Extremisten distanziert und müssten dass tun, wenn sie in Deutschland Akzeptanz erwarteten.

Freitagsgebet (mit anschließender Mahwache) der Mevlana Moschee in Berlin am 19.09.14. (Bild: Ömer Sefa Baysal)

Die Wahrheit ist natürlich: die Rechte eines Bürgers, egal  ob muslimischen, anderen oder keinen Glaubens, müssen in unserer Gesellschaft, unserem Rechtsstaat nicht verdient werden, nicht durch Distanzierungen oder Treuebekenntnisse oder irgendetwas anderes. Sie sind, ebenso wie die Menschenrechte eines jeden, der in unserem Land lebt, auch wenn er kein Bürger ist, absolut, unantastbar und unteilbar. Etwas anderes zu akzeptieren, ist nicht nur falsch, es öffnet eine hässliche, gefährliche Tür.

Und dennoch ist die heutige Aktion, ist jedes Zeichen gegen Hass und für Gerechtigkeit wichtig. Wie in allen Dingen ist die Absicht wichtig: wir dürfen es nicht für Politik, Medien oder wen auch immer tun, nicht um im Gegenzug etwas zu erhalten – wir müssen es tun weil es richtig ist.

Weil man Begriffe „wie das Gute gebieten und das Schlechte verbieten“, „Unrecht mit der Hand oder der Zunge ändern“,  „Zeugen für Gerechtigkeit sein“ mit Leben füllen muss, wenn sie etwas bedeuten sollen anstatt nur hohle Selbstbeweihräucherung zu sein.

Als Muslime in Deutschland, als muslimische Deutsche haben wir eben in der Tat etwa beim Schutz jüdischen Lebens in Deutschland eine historische Verantwortung, weil wir zu diesem Land gehören.

Wenn wir als Gruppe Srebrenica besuchen, zwischen den endlosen Reihen der Gräber von unseren Emotionen überwältigt werden und das Schweigen der Welt beklagen, als vor 20 Jahren ein „christlicher IS“ mit der Vernichtung der bosnischen Muslime begann, dann nehmen wir damit auch die Verantwortung an, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen einzuschreiten, wenn es sich wiederholt, wenn sich eine Gruppe von Muslimen die Vernichtung von Menschen aufgrund ihres Glaubens auf die Fahnen schreibt. Und Muslime sind sie, auch wenn es uns noch so sehr anwidert.

Wenn uns nicht unsere Emotionen - Trauer, Mitgefühl  und Verachtung für das dort zur Schau gestellte Islamverständnis - dazu motivieren, uns zu positionieren, zu demonstrieren, kurz Zeichen zu setzten, sondern primär sich politisch abzusichern und irgendjemandes Erwartungen zu erfüllen, dann stimmt mit uns etwas nicht.

Darum: lasst uns Zeichen setzten, wo und wie wir es können, so oft wir können. Und lasst sie uns mit der richtigen Absicht setzten, um der Sache, um der Gerechtigkeit und vor allem um Allahs Willen und nichts sonst. Und möge Allah der Erhabene es annehmen.