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Betrachtung des RAMSA zur Debatte Raum der Stille/Gebetsräume an Hochschulen

18.03.2016

Bezugnehmend auf die aktuellen Ereignisse zur Schließung von Ruhe- und Gebetsräumen an deutschen Hochschulen plädiert der RAMSA für einen sachlich geführten Diskurs, verweist auf die vielen positiven Beispiele in der deutschen Hochschullandschaft und setzt sich für eine gelebte religiöse und weltanschauliche Pluralität an Universitäten ein.

Zahlreiche Artikel haben die Schließungen der Ruhe- und Gebetsräume an der TU Dortmund und der Universität Duisburg-Essen einer breiten Öffentlichkeit bekanntgemacht. Die muslimischen Studierenden beider Universitäten wandten sich mit der Bitte um Beratung und Vermittlung an den RAMSA, der diese seit Bekanntwerden der Vorfälle intensiv begleitet und unterstützt. Auch an der TU Berlin wurde die Schließung des Gebetsraums entgegen dem Ansinnen mehrerer lokaler Studierendengruppen durchgesetzt.

Mediale Verantwortung für einen sachlich geführten Diskurs

Eingehende Gespräche mit den Betroffenen, den ASten sowie Vertretern der Universität Duisburg-Essen machen deutlich, dass die Schließungsgründe, anders als medial vermittelt, unterschiedlicher Natur sind. Die bedauerlicherweise im großen Teil undifferenzierte Wiedergabe der Ereignisse führte zu einer unnötigen Emotionalisierung der Diskussion. Mit antimuslimischen Ressentiments aufgeladene Berichte hatten in der Konsequenz Anfeindungen und Bedrohungen gegen muslimische Studierende zur Folge. Beispielhaft für die journalistische Nachlässigkeit, sei hier der Artikel der WAZ vom 12. Februar zur Schließung des Gebetsraumes am Campus Essen genannt, dessen Darstellung von vielen Medien aufgegriffen wurde. Alle Beteiligten einschließlich der Universitätsleitung haben der nicht zutreffenden Berichterstattung bereits öffentlich widersprochen. In der Tat haben räumliche Engpässe die Universitätsleitung Duisburg-Essen zur Schließung des Gebetsraumes bewogen.

Positionierung zu den Schließungsgründen

Anlass zur Schließung des Raumes der Stille an der TU Dortmund hingegen war die Verletzung der Neutralität des Raumes und damit der Nutzungsordnung. Laut Universitätsleitung lag auch die Beschwerde zweier Studentinnen vor. Der RAMSA, welcher sich seit Jahren für die Schaffung und den Erhalt von Ruhe- und Gebetsräumen einsetzt, kritisiert in deutlicher Weise jegliches Verhalten, das gemeinsamen Vereinbarungen und den Regeln des Zusammenlebens in Deutschland widerspricht. Dies wurde so auch schon durch die muslimischen Studierenden der TU gegenüber dem Rektorat vertreten. Es kann jedoch nicht als Lösung angesehen werden, alle Nutzer des Ruheraums aufgrund des Fehlverhaltens unbekannter Verantwortlicher kollektiv mit einer Schließung zu bestrafen. Eine Einbeziehung des für den Raum verantwortlichen AStA und den muslimischen Studierenden hätte die Möglichkeit eröffnet, durch eine Intervention Abhilfe zu schaffen und eine Schließung zu verhindern. 

Neutralität ist nicht Abwesenheit von Religion

Bezogen auf den Schließungsgrund der TU Berlin folgt der RAMSA in seiner Auffassung dem Bundesverfassungsgericht und sieht die staatliche Neutralität nicht im Gegensatz zur Existenz eines Gebets- oder Ruheraums. Staatliche Neutralität in Deutschland wird als „eine […] die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung“ verstanden. Das Bundesverfassungsgericht sieht in Art. 4 GG sogar das Gebot „im positivem Sinn, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung […] zu sichern“. Der Staat ist zur religiös-weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, was aber die Ausübung der Religion durch Individuen und Gruppen innerhalb staatlicher Einrichtungen nicht ausschließt. Solange der Staat und seine Institutionen sich nicht zu einer Religion bekennen oder diese bevorzugen, stehen alle Religionsgemeinschaften unter dem Schutz des Artikels 4 des Grundgesetzes als Garanten der Glaubensfreiheit und ungestörten Religionsausübung.

Für Muslime gehört hierzu das rituelle Gebet, das in einem Gebetsraum oder Raum der Stille einerseits ungestört verrichtet werden kann, andererseits dort auch niemand anderen stört.

Neutralität in diesem positiven und fördernden, nicht in einem die Religionen ablehnenden Sinne gewährleistet gelebte religiöse und weltanschauliche Pluralität an Institutionen wie der Universität, die damit ein Abbild einer heterogenen Gesellschaft ist.

Der Beitrag muslimischer Hochschulgruppen

Besonders in Konfliktfällen wird deutlich, dass eine Interessenvertretung der Studierenden muslimischen Glaubens in Form von anerkannten und zugelassenen Hochschulgruppen, ähnlich wie die christlichen KHG, ESG sowie anderen konfessionellen und nicht-konfessionellen Gruppen, notwendig ist. Dies erleichtert die konstruktive Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung, dem AStA und anderen studentischen Organisationen durch die Anwesenheit von Ansprechpartnern. Der Beitrag anerkannter muslimischer Hochschulgruppen besteht weiterhin darin, einer Einflussnahme extremistischer Strömungen von außerhalb auf Einrichtungen, Räumlichkeiten und Studierende wirksam und effektiv entgegenzutreten.

Der RAMSA verweist in diesem Zusammenhang auf die Situation an vielen Hochschulen bundesweit, in denen entsprechende Gebets- und Ruheräume sowie muslimische Hochschulgruppen existieren. Diese setzen sich u.a. engagiert für den interreligiösen Dialog, Flüchtlingshilfe, Gender-Empowerment und der Seniorensozialarbeit ein. Auftretende Probleme in Ruheräumen wurden durch konstruktiven und vertrauensvollen Dialog zwischen den Hochschulgruppen,  ASten  und Hochschulleitungen zur Zufriedenheit aller gelöst. Dies ist der in der Mehrheit gelebte Standard, den wir uns ebenso für die aktuell diskutierten Ausnahmefälle wünschen.

Beratung und Vermittlung für den sozialen Zusammenhalt

Als bundesweiter Zusammenschluss muslimischer Studierender und Akademiker berät und begleitet der RAMSA mehr als 40 Hochschulgruppen und befasst sich seit Jahren mit der Thematik interreligiöser Ruheräume sowie muslimischer Gebetsräume. Weitere Schwerpunkte sind die Präventionsarbeit gegen jegliche Extremismen und Rassismen sowie die Dialogarbeit, insbesondere mit christlichen und jüdischen sowie mit nicht-konfessionellen Partnern. Der soziale Zusammenhalt ist das Kernmotiv unseres Engagements und erhält besonders im Angesicht der Flüchtlingsthematik sowie aktueller rechtsreaktionärer Tendenzen in der Gesellschaft eine neue Bedeutung. Auch in Bezugnahme zur Ruheraumthematik ist der einvernehmliche Dialog auf Augenhöhe und die Wahrung der Grundsätze des Zusammenlebens in Deutschland unser primäres Ziel. Wir sehen die aktuelle Diskussion daher als Chance, offengewordene Defizite zu verbessern und stehen allen Beteiligten weiterhin als Ansprechpartner offen.