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CERN: Der Ort an dem das Geheimnis des Universums gelüftet werden könnte

05.02.2012

Woraus besteht das Universum? Wie ist die Struktur der Materie? Mit solchen fundamentalen Fragen der Teilchenphysik beschäftigt sich das CERN (Europäische Organisation für Kernforschung). Es ist das größte wissenschaftliche Projekt das die Menschheit je gesehen hat.  Der LHC (Large Hadron Collider), der am CERN im schweizerisch-französischen Grenzgebiet installiert ist, ist der größte Teilchenbeschleuniger der Welt.

            

Es ist ein Projekt der Superlative: Der LHC, die gigantischste Forschungsanlage aller Zeiten, ist ein unterirdischer Ringbeschleuniger mit einem Umfang von 27km. Die weltweit größte Kühlanlage wird verwendet und versorgt die Teilchenbeschleunigeranlage um zu hohen Temperaturen vorzubeugen. Des Weiteren wurde ein riesiges aufgespanntes Rechnernetz entwickelt, um die immense Flut an Daten, etwa  15 Millionen Gigabyte pro Jahr, aufzunehmen und ordnungsgemäß auszuwerten.  Seitdem vor 30 Jahren das ca. 3 Milliarden Euro teure Projekt beschlossen wurde, unternahm man alles, um dieses Projekt auch zu realisieren - nur um Zustände zu simulieren, die denen unmittelbar nach dem Urknall gleichen, in der Hoffnung anhand der Ergebnisse bestehendes Wissen zu belegen und weitere Antworten und Fragen zu erhalten.

         

Ihre Kenntnisse über die Teilchenphysik haben Physiker im sogenannten "Standardmodell der Teilchenphysik" zusammengefasst.  Jenes beschreibt nicht nur die Teilchen aus denen Materie aufgebaut ist, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen ihnen, die durch sogenannte "Kraftteilchen" vermittelt wird. Die Wechselwirkungen, die zwischen den Teilchen stattfinden, halten die Materie zusammen, da sie ansonsten in sich zusammenfallen würde. Ein zusätzlicher Bestandteil des Standardmodells und damit des gesamten theoretisch vorhergesagten Teilchenspektrums ist das Higgs-Teilchen. Dieses Wechselwirkungsteilchen vermittelt die Masse aller Elementarteilchen und ist damit das wichtigste noch zu entdeckende Teilchen für die Bestätigung des Standardmodells. Die Wissenschaftler am LHC setzen große Hoffnungen darauf, Spuren dieses Teilchens erstmals experimentell nachweisen zu können.
Wie funktioniert die Suche nach Teilchen an einem Teilchenbeschleuniger wie dem beispiellosen LHC nun genau? Im LHC kreisen zwei extrem energiereiche Strahlen in gegenläufiger Richtung und prallen aufeinander. Die extremen energetischen Bedingungen, die das LHC erst ermöglicht hat, simulieren die Situation unmittelbar nach dem Urknall, als das ganze Teilchenensemble noch in seinen Einzelteilen vorhanden war und noch nicht zu Elementen zusammengesetzt war. Das bedeutet, dass die Teilchen auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Vor allem Protonen und Neutronen spielten in dieser Phase der Entstehung des Universum eine wichtige Rolle, weshalb am LHC vor allen Dingen Protonenstrahlen als Kollisionsstrahlen verwendet werden. Dem LHC gelingt es Teilchen auf eine Energie von 3,5 Teraelektronenvolt (TeV) pro Strahl zu beschleunigen und sie dann aufeinanderprallen zu lassen. Bei dem bis vor kurzem noch stärksten Teilchenbeschleuniger erreichten Protonenstrahlen am Tevatron (Fermilab, Chicago) "lediglich" eine Energie von 1,05TeV.  

         

Die Teilchenphysik besagt, dass solche energiereichen Teilchenkollisionen, weitere Teilchen entstehen lassen. Genau um diese "Nebenprodukte" (Kollisionsprodukte) geht es, da sie letztendlich das vom Standardmodell vorhergesagte Teilchenpuzzle bilden, wozu auch das fundamentale Higgs-Teilchen gehört. Speziell konzipierte Detektoren sind an bestimmten Stellen des Beschleunigers installiert, um die Kollisionsprodukte zu registrieren.  Je größer die Energiebereiche sind in die man mit dem Beschleuniger vorstößt, desto mehr offenbaren sich weitere Teilchen (Kollisionsprodukte) des angenommenen Standardmodells der Teilchenphysik. Das Higgs-Teilchen ist das einzige noch verbliebene Teilchen, das experimentell noch nicht nachgewiesen wurde, was aber für die Bestätigung des Standardmodells von enormer Wichtigkeit ist. Im Dezember des Vorjahres konnte das Energieintervall in dem sich das Higgs-Teilchen befindet  weiter eingeschränkt werden. Für 2012, schließlich, errechnet man sich am CERN den großen Fund des Higgs-Teilchens, das mittlerweile auch unter dem Namen "Gottesteilchen" für Schlagzeilen sorgt. Der Fall, dass dieses Teilchen gar nicht existiert ist ebenfalls nicht auszuschließen. Für diesen Fall liegen bereits Theorien vor, deren Aufgriff und Berücksichtigung manch ein Forscher womöglich insgeheim erhofft. Dann läge nämlich ein anderer Mechanismus vor, der den Teilchen die Masse verleiht. Auch weitere Rätsel des Standardmodells sind noch nicht gelöst, wozu auch der LHC noch seinen Beitrag leisten könnte. So fehlt eine der vier Grundkräfte, die Gravitation, gänzlich in dieser Theorie, obgleich sie aufgrund ihrer Schwäche im Mikrokosmus ohnehin eine Nebenrolle spielt. Im November des Vorjahres wurde ein weiteres Experiment mit einem verblüffenden Ergebnis durchgeführt. Physiker vom CERN führten ein Experiment durch, um über eine Strecke von 730km (Genf - Gran-Sasso-Laboratorium, nahe Rom) die Geschwindigkeit von Neutrinos zu ermitteln. Neutrinos sind die kleinsten uns bekannten Elementarteilchen, die laut dem Standardmodell nicht einmal eine Masse haben, aber in Realität wohl eine von Null verschiedene Masse besitzen. Die mehrfach mit jeweils höherer Präzision durchgeführte Messung der Geschwindigkeit ergab eine größere Geschwindigkeit als das Licht. Das rüttelt an den Fundamenten der Relativitätstheorie von Einstein, doch noch diskutieren die Forscher darüber, ob lediglich statistische Fehler vorliegen oder doch ein neues Tor der Physik aufgeschlagen werden könnte.  

              

Die Laufzeit des LHC am CERN ist bis zum Jahre 2030 vorgesehen. In dieser langen Zeit wird die Forschungsanlage teilweise langwierigen Umbauarbeiten ausgesetzt sein, aber auch noch wichtige experimentelle Beiträge zur Vervollständigung oder eventueller Korrektur des Standardmodells der Teilchenphysik liefern. 

von: Waqaas Rehman

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