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Zur Schließung des Raumes der Stille an der TU-Dortmund

11.02.2016

RAMSA betrachtet die Art und Weise des Umgangs der TU Dortmund mit ihren muslimischen Studierenden kritisch – dies insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen medialen Berichterstattung, die hauptsächlich die Sicht der Universität aufgreift. Dazu wird der RAMSA bald eine Stellungnahme veröffentlichen. Wir haben mit verschiedenen muslimischen Studierenden und Akademikern der TU-Dortmund gesprochen. Im Folgenden das Ergebnis der Gespräche:

„Muslimische Studierende und Akademiker an der TU Dortmund positionierten und positionieren sich klar und unmissverständlich gegen jedwede frauenfeindlichen Positionen und weisen zudem jegliche offenkundige oder mitschwingenden Vorwürfe, diese praktiziert oder toleriert zu haben, auf das Schärfste zurück! Die Universitätsleitung sollte nicht das Fehlverhalten einzelner Personen zum Anlass nehmen, um pauschale Verdächtigungen oder Unterstellungen gegenüber Studierenden mit einem bestimmten Religionsbekenntnis, einer bestimmten ethnischen Herkunft und/oder nicht weißer Hautfarbe implizit oder explizit zu behaupten oder zu verbreiten.

Weit über 60 Artikel sind seit der Pressemitteilung der TU Dortmund zum „Raum der Stille“ erschienen. Binnen weniger Tage haben unterschiedliche Medien über die Schließung berichtet. Fast durchgängig wurde die Darstellung der Universitätsleitung ohne weitere Recherche übernommen. Schlagworte wie „frauenfeindlich“, „Umfunktionierung für eigene Zwecke“, „Religionsärger“, „Kopftuchzwang“, „Verstoß gegen Gleichberechtigung“ wurden zu einem Feinbild-Diskurs “Studierende die Anders sind” hochstilisiert. Diese erschreckende und bedrückende Polarisierung führte bereits zu verbalen Übergriffen und angedeuteten Akten von körperlicher Aggression gegenüber muslimischen Studierenden an der TU Dortmund.

In Zeiten einer “PEGIDAisierung” und von Übergriffen gegenüber verschiedenen Gruppen von Menschen, frauenfeindlichen und antisemitischen Attacken, brennenden Asylbewerberunterkünften und stärker werdenden rechtsextremen Positionen in der Mitte der Gesellschaft, so eine Studie der Universität Leipzig, ist es beängstigend und bestürzend, wenn ähnliche Diskurse und Stimmungen von Seiten der Universitätsleitung gegenüber den eigenen Studierende betrieben werden.

Niemand seitens der Universitätsleitung hat mit den derart angefeindeten Studierenden den Dialog gesucht. Binnen kürzester Zeit sahen die Studierenden sich massiv mit gängigen ausgrenzenden, menschengruppenfeindlichen Narrativen konfrontiert und das Bestreben der Studierenden, die Interessen einiger hundert Studierender gegenüber der Unileitung zur Sprache zu bringen, wurde derart skandalisiert, dass man dieser ohnmächtig gegenüberstand. Das ist inakzeptabel! Muslimische Studierende und Akademiker positionierten und positionieren sich wiederholt gegen menschengruppenfeindlich Praktiken - egal ob in Bezug auf Geschlecht, Weltanschauung, soziale oder nationale Elemente der Identität - und weisen auf das Schärfste jeglichen pauschalen Vorwurf zurück, den man uns direkt oder indirekt anlastete. Verstöße gegen die Nutzungsordnung seitens Einzelner und Weniger wurden niemals von muslimischen Studierenden gut geheißen.

Insgesamt wurden maximal 2 Beschwerden innerhalb mehrerer Jahre dem ASTA eingereicht, die umgehend bearbeitet wurden. Dieser hat die ordentliche Nutzung des Raumes der Stille verwaltet und wiederhergestellt. Zur aktuellen Lage hat die Universität weder die Studierenden noch dessen Vertretung (AStA) in Kenntnis gesetzt. Der Universitätsleitung war bekannt, dass der Raum größtenteils von muslimischen Studierenden zur Verrichtung ihrer täglichen rituellen Gebete genutzt wurde. Zusätzliches Interieur wie Raumaufteiler für mehr Privatsphäre während der Gebetshandlungen für alle Studierende ungeachtet ihres Geschlechts wurden sogar vom Dezernat 6 brandschutztechnisch überprüft und zur Verfügung gestellt. Da der Raum regelmäßig von muslimischen Studierenden besucht wurde, entstand unter vielen Studierenden der Eindruck, dass es sich um einen eigens für Muslime eingerichteten Raum handelt, sodass diese nichts Verwerfliches darin sahen, z.B. einen Gebetsteppich liegen zu lassen, um ihn für den nächsten Tag gleich parat zu haben oder sich dort mit Kommilitonen hinzusetzen und zu meditieren oder Studienangelegenheiten zu besprechen.

Die muslimischen Studierenden und Akademiker

  • sind deutsche sowie internationale und deutschsprachige Muslime, die sich an ihrer deutschen Universität für ihre garantierten Grund- und Menschenrechte und geltendes Recht einsetzen. Zu denen gehört im Übrigen auch die Weltanschauungs- und Religionsfreiheit - Sie stellen sich gegen jeden, der einer Frau oder einem Mann einen bestimmten Platz meint zuweisen zu müssen aufgrund seines Geschlechtes oder seiner Herkunft.
  • positionieren sich gegen jegliche Personen und Positionen, die eine rigorose Geschlechtertrennung einfordern und stellen klar, dass Formen des Zwangs der Praxis der Mainstream-Muslime diametral zuwiderläuft.
  • stellen sich entschieden und laut gegen jeden, der die Selbstbestimmung der Frau beschneidet oder ihr Verhaltensweisen vorschreibt.
  • benötigen keine Raumaufteiler.
  • informieren, dass in islamischen Gebeten Frauen und Männer für gewöhnlich in von einander abgegrenzten Reihen stehen, ähnlich wie noch in manchen christlichen und jüdischen Gotteshäusern und dieser Wunsch nach Rückzugsbereichen deshalb aus Gewohnheit in den „Raum der Stille“ übertragen worden sein könnte.
  • wollen den konstruktiven Dialog und frei und demokratisch um ihre Interessen streiten dürfen, ohne in frauenfeindliche Diskurse eingespeist zu werden.

Bis heute weiß niemand, wer 2012 einige Flyer ausgelegt hatte. Der AStA, der für den Raum verantwortlich ist, hat sie umgehend entfernen lassen und die Nutzungsordnung wiederhergestellt. Der Gesamtheit der Muslime am Campus mit diesen alten Fällen oder mit Raumaufteilern und Nutzungsverstößen in Zusammenhang zu bringen, ist schlichtweg unfair. Man wollte sich ausschließlich für den Erhalt des Raumes der Stille einsetzen, nachdem er geschlossen wurde.

Studierende haben nach der Schließung des Raumes das konstruktive Gespräch mit der Universitätsleitung gesucht. Diese hat es verwehrt. Der deutlich formulierte – nicht öffentliche - Brief an die Universitätsleitung im Anschluss sollte nach Informationen nur den Unmut ausdrücken und folgte erst danach. Beigefügte Unterschriften sollten dem Text lediglich mehr Gewicht verleihen.

Die Studierenden hatten zu keiner Zeit die Absicht, eine mediale Debatte zu entfachen. Die Absicht war und ist es einen konstruktiven Dialogwunsch zu äußern, um die Problematiken zu besprechen und über eine möglicherweise Wiedereröffnung des Raumes der Stille zu reden. Die Antwort daraufhin wurde ohne Absprache veröffentlicht und medial breit gestreut. Die im Nachhinein offengelegten Gründe für die Schließung des Raumes sind durchaus nachvollziehbar, jedoch keine Probleme, die nicht hätten beseitigt werden können, wenn eben diese Nutzer auf ihre Fehler aufmerksam gemacht worden wären.

Es gibt genügend Studierende, die sich an die Nutzungsbedingungen sehr wohl gehalten haben und diese achten. Der Raum wird von vielen Studierenden täglich genutzt, auch von Studierenden aus der benachbarten Fachhochschule. An etlichen Universitäten in Deutschland gibt es diese Räume. Er war wirklich benötigt und liegt den Nutzern am Herzen. Man kann nachvollziehen, dass es offiziell keinen Anspruch auf den Raum gibt, zumal die Probezeit bereits vor zwei Jahren abgelaufen ist.

Muslimische Studierende und Akademiker haben sich sehr gewünscht und wünschen sich immer noch, dass zwischen Leitung und Studierenden ein vertrauensvolles Verhältnis entstünde und bestünde. Die Zitationen des Grundgesetzes in dem öffentlichen Schreiben der Uni haben die Studierende sehr irritiert. Studierende und Akademiker der TU Dortmund wissen allzu gut, was Demokratie bedeutet. Intention sei das interne Gespräch und keine öffentliche mediale Debatte, in der man in einen bestimmten Kontext vorverurteilt wird.

Die Studierenden glauben weiterhin daran, dass bestehende Unstimmigkeiten, Fehler und Probleme geändert werden können. Probleme sollen aber nicht auf dem Rücken aller muslimischen Studierenden ausgetragen werden, die einer religiösen Minderheit angehören.

In einem vertrauten und weniger emotionsbeladenen Rahmen, wie wir es eigentlich an der Technischen Universität gewohnt sind, möchten wir diese Problematik diskutiert wissen und suchen weiterhin den Weg des Dialogs.“