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"Das Wissen um die Welt"

Kaan Orhon
07.03.2014

Von Kaan Orhon

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:

„Reisen sie denn nicht auf der Erde umher, so dass sie Herzen bekommen, mit denen sie begreifen, oder Ohren, mit denen sie hören? Denn nicht die Blicke sind blind, sondern blind sind die Herzen, die in den Brüsten sind.“ ((al-Hajj:46))

Es ist noch nicht lange, ein Augenblick gemessen an der Geschichte der Menschheit, dass wir nicht mehr reisen müssen, um die Welt zu sehen. Der Fortschritt von Wissenschaft und Technologie bringt die Welt zu uns, wann wir wollen, so oft wir wollen, auf den Computer, den Fernseher, auf das Telefon, dass wir immer bei uns tragen. Jeden morgen auf Weg zur Arbeit oder in die Uni können wir uns das neueste Geschehen aus allen Teilen der Welt anschauen, in Wort, Bild und Ton. Doch längst hat so mancher erkannt, dass allein Quantität der Information keinen Wert hat. Wir gehen beim Frühstück noch schnell ins Internet und sehen Krieg in Syrien, Hunger in Somalia, Ausbeutung in Bangladesch… aber macht es einen Unterschied für unser Handeln ob wir diese Bilder gesehen haben oder nicht? Wird es uns den Tag über begleiten und unser Denken, Handeln und Fühlen noch beeinflussen oder schalten wir es mit ab, wenn wir das Gerät abschalten?

Das Wissen um die Welt um uns nimmt zu aber die Anteilnahme sinkt – ein trauriger Zustand. Eine verbreitete Reaktion darauf ist die Kritik an einer Mediengesellschaft, die uns mit immer neuen Problemen überflutet. Kaum das wir das eine verarbeiten, wird uns das nächste präsentiert.

Doch diese Sicht der Dinge ist verfehlt. Nicht das Medium oder die Masse der Information ist das Problem, sondern die Einstellung desjenigen, der die Informationen aufnimmt. Ja, die Zahl der Themen, mit denen wir konfrontiert werden steigt und damit verbunden fällt die Berichterstattung darüber zum Teil kürzer aus und geht weniger in die Tiefe. Aber eben die neuen Möglichkeiten der Informationsvermittlung geben uns individuell die Möglichkeit, und eingehender mit einem Thema zu beschäftigen, wenn wir etwas tun wollen. Entscheidend ist eben, ob wir wollen – ob unsere Herzen noch nicht blind sind für die Not anderer. Wenn dem so ist, und wir die Entscheidung treffen, zu helfen, auch wenn wir in dem Moment noch nicht wissen, wie, ist der erste Schritt getan.

„Allah ändert nicht den Zustand eines Volkes, bis sie das ändern, was in ihnen selbst ist.“ ((ar-Rad:11))

Wir haben verschiedene Mittel, uns weiterzubilden, können uns mit anderen zusammentun, um die Wirkung unserer Taten zu vervielfachen - und am allerwichtigsten, Allah der Erhabene ist mit uns wenn wir Seinen Geboten folgen: Gutes gebieten, Unrecht abwehren und Notleidenden helfen.
Um eine heutzutage oft erbittert geführte Diskussion aufzugreifen, ja, auch ein Mausklick kann etwas wert sein, wenn hinter ihm ein aufrichtiges Herz steht. Ist dies vorhanden, wird es nicht dabei bleiben.
Das Ziel von Wissen ist Handeln, die Grundlage für Handeln ist Fühlen.

Möge Allah der Erhabene unsere Herzen sehend machen und unsere Werke erfolgreich!

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.

 

Kaan Orhon, RAMSA-Vizepräsident und Islamwissenschaftler aus Göttingen

Foto: © John Stanmeyer/ VII/ National Geographic “World Press Foto 2014”