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„Das Böse abwehren“

Kaan Orhon
27.06.2014

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:
„Wehre (das Böse) mit dem ab, was das Beste ist. Und siehe, der, zwischen dem und dir Feindschaft war, wird wie ein warmherziger Freund werden.“ ((Fussilat:34))

Wer RAMSA kennt und vielleicht auch manchem, der uns vorher nicht kannte, ist sicher aufgefallen, dass aktuell eine Kampagne läuft, die anlässlich des fünften Jahrestages des Mordes an Marwa El-Sherbini antimuslimischen Rassismus thematisiert und zu seiner Bekämpfung aufruft. Die Aktion als ganzes und viele Details wurden diskutiert, auch unter Muslimen. Auch wenn die Verantwortlichen der Kampagne vom Projekt überzeugt sind und zuversichtlich, damit einen wichtigen Beitrag zu einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung geleistet zu haben – der Erfolg liegt wie in allem einzig bei Allah – ist solche Diskussion dennoch nichts schlechtes, solange sie in einer charakterlich anständigen Weise geführt wird. Im Gegenteil, ein Austausch verschiedener Meinungen darüber, was die beste Strategie zur Bekämpfung von Rassismus gleich welcher Art ist, ist wünschenswert und unter Umständen sehr hilfreich.

So viel zum politischen, sozialen, medialen Bereich – was aber ist die spirituelle Dimension dabei?

Rassismus aufzeigen, die Täter benennen, ihre Methoden analysieren ist der Anfang. Dann geht es darum, dass Phänomen zu bekämpfen, und hier muss das spirituelle eine wichtige Rolle spielen. Menschen werden – dass ist ein grundlegendes islamisches Prinzip – frei von Sünden geboren und auch frei von Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus etc. Was bzw. wie wir als mündige Erwachsene sind, ist Ergebnis von Erziehung, sozialem Umfeld und natürlich unseren eigenen freien Entscheidungen. Aber das bedeutet nicht, dass man einen einmal eingeschlagenen Weg, der ins Unglück führt, das eigene wie das anderer Menschen, nicht verlassen kann. Jene, die wir als Urheber zum Beispiel des antimuslimischen Rassismus ausmachen, und noch mehr die vielen Mitläufer, die Vorurteile und Zerrbilder übernehmen, sie aber nicht selbst schaffen, sind nicht fremde Wesen, zwischen denen und uns keine Verbindung besteht. Sie sind Menschen, und als solche ist es möglich, sie zu erreichen und positiv zu beeinflussen.

Wer mit dem Ausmaß an Hass, das auf Hetzseiten wie politically incorrect oder Grüne Pest ausgeschüttet wird und sich selbst in den Kommentarspalten seriöser Zeitungen findet, mag das bezweifeln. Aber als Muslime tun wir gut daran, uns der Ursprünge und der Frühzeit des Islam zu besinnen. Nichts was uns in unserem Alltag begegnet, ist nicht in ähnlicher Form dem Gesandten Gottes – Allahs Segen und Frieden – und seinen Gefährten widerfahren. Von der Beleidigung auf der Straße bis zu Folter und Mord erduldeten sie den Hass und begegneten ihm mit Gutem. Und von ihren hasserfüllten Verfolgern wandelten sich einige zu liebenden Brüdern und zu Verkörperungen der Ideale des Islam. Andere blieben verstockte Feinde bis an ihr Ende. Garantien gibt es nicht, damals nicht und für uns auch nicht.

Einige von denen, die von ihren ideologischen  Feindbildern durchdrungen sind, werden wir mit keiner Maßnahme erreichen können. Gegen sie bleibt uns nur, die Mittel des Rechtsstaates und der politischen Arbeit zu nutzen, um den von ihnen ausgehenden Schaden zu begrenzen und ansonsten unser Leben zu leben und am Gottvertrauen festzuhalten. Insbesondere die Beleidigung in Wort und Schrift und Bild - so sehr sie uns schmerzt, so wenig wir den Hass der darin liegt gegen uns als Person nachvollziehen können – muss ertragen werden, wenn nicht rechtlich gegen sie vorgegangen werden kann. Schimpfworte und Karikaturen nehmen keinem Kind die Mutter, keinem Mann die Frau, keinen Eltern ihr Kind. Gegen die Gewalt einzelner, die ihren Hass noch weiter tragen wollen, gegen Alex Wiens Stiche im Gericht, Pavlo Lapshyns Bomben in Moscheen, Anders Breiviks Massaker an Kindern und Jugendlichen, gibt es keinen völligen Schutz, nur das Vertrauen auf Allah, er ist der beste Beschützer.

Doch diese Beispiele sind nicht die Mehrheit, so ist meine Überzeugung, und die vieler anderer, die sich an dieser oder jener Kampagne beteiligen. Viel mehr Menschen können erreicht werden und jeder, bei dem es gelingt, ist hunderte andere wert.

Auch muss deutlich sein: Es geht nicht darum, „den Anderen“, einer vermeintlich feindlichen Mehrheit um uns herum „eins auszuwischen“, sondern auch darum, Verständnis zu wecken bei Menschen, die Ängste und Bedrohung nicht nachvollziehen können – nicht aus böser Absicht sondern weil sie nicht in der selben Ausgangsposition sind.

Und darum, wertzuschätzen, wie viele Menschen, die auch nicht in der selben Position sind, sich spontan beteiligt und die Hand in Freundschaft ausgestreckt haben, um zu unterstützen. Der Einsatz desjenigen, der gegen Unrecht, dass ihn trifft, aufsteht, ist wertvoll, aber der Einsatz des nicht betroffenen, der aufsteht, ist noch um ein Vielfaches höher zu werten. Das soll auch jenen gesagt sein, die Abseits stehen und predigen, Dialog und gemeinsame Arbeit sein wertlos, weil „wir“ und „die“ immer Feinde sein würden. Sie sind in Wahrheit das Spiegelbild und die Helfer und Freunde derer, gegen die sich unser Kampf richtet, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Sie wollen – wenn überhaupt – das Böse mit dem Bösen abwehren, Feindschaft mit Feindschaft, Beleidigung mit Beleidigung, Gewalt mit Gewalt; sie sind weit abgeirrt von Botschaft und Geist des vorangestellten Verses.

Wie gesagt, der Erfolg jeder Sache liegt bei Allah, möge Er unsere Taten nach der Absicht bewerten, möge Er die Anstrengung lohnen, möge Er uns unter die Gerechten, die Barmherzigen, die Vergebenden, die Standhaften und Aufrichtigen zählen, möge Er uns schützen vor dem Übel anderer und dem Übel in uns selbst. Amin.

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.

 

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