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Angst

Kaan Orhon
14.12.2016

Bismillah
Gedanke zum Freitag


Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:

„So sollen sie dem Herrn dieses Hauses dienen, Der ihnen Speise gegeben hat, nachdem sie Hunger gelitten hatten und ihnen Sicherheit gewährte, nachdem sie in Furcht gelebt hatten.“ ((Quraiš:3-4))

Furcht ist ein mächtiger Faktor für menschliches Handeln. Neben unseren Vorlieben und unseren Abneigungen sind es auch unsere Ängste, die wesentlich bestimmen, wie wir uns verhalten.
Das ist keineswegs immer und ausschließlich negativ: Angst ist der Ursprung der Vorsicht.

Doch wer sich von ihr beherrschen lässt, der leidet darunter. Es entstehen Verzweiflung und Pessimismus…oder aber Zorn und Feindseligkeit.

Viel ist darüber gesprochen worden, dass - nicht zuletzt wenn es um das Thema Islam geht – irrationale Ängste gewaltige Wirkung entfalten und mitunter gefährliche Entwicklungen in Gang bringen können.
Das gilt dabei nicht nur für die selbsternannten Verteidiger des Abendlandes. Vor Jahren, bei den Kundgebungen gegen den „Anti-Islamisierungskongress“ einer rechtsextremen Kleinstpartei in Köln, bekam ich einen Flyer in die Hand gedrückt, auf dem vor dem vermeintlich drohenden Schicksal der Muslime in Deutschland gewarnt wurde:
Nebeneinander gestellt waren, wenn ich mich richtig erinnere Bilder von Insassen eines Konzentrationslagers („Deutschland 1939“) und des Internierungslagers in Guantanamo Bay auf Kuba („Deutschland 2019“).
Das ist jene Form von Ausnutzung von Angst, die nichts Gutes hervorbringt und die zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann.

Hass, Diskriminierung, Rassismus und Menschenfeindlichkeit in allen Formen sind ein reales gesellschaftliches Problem. Sich dagegen einzusetzen ist richtig und notwendig, die Augen davor zu verschließen ist verantwortungslos. Verantwortungslos ist aber auch, dabei den Boden der Tatsachen zu verlassen – dies sind nicht die 30er Jahre. Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen und Bedrohungen, auch wenn Muster sich wiederholen.

Es gilt, den Mittelweg zu beschreiten zwischen dem Verbreiten von Panik und dem Ignorieren von Dingen, in unserer Gesellschaft, die uns durchaus Angst machen sollten.

Es gilt im Einsatz gegen diese Dinge, sich nicht von der Angst vor sich her treiben zu lassen. Auch, wenn wir sie in unserer Arbeit, etwa in der Hochschulgruppe zum Thema machen, sollte die Geisteshaltung eine optimistische sein:

das Vertrauen darauf, dass wir Akteure sind, die proaktiv positive Veränderungen erreichen können, anstatt lediglich potentielle Opfer, die verzweifelt versuchen, das Unvermeidliche aufzuschieben.
Frei nach Al-Ghazali: die Hoffnung sollte die Furcht immer überwiegen.

Und zu guter Letzt sei erinnert: Wissen ist eines der wichtigsten Mittel gegen Furcht, die eigene und die Anderer. Wissen erwerben und Wissen vermitteln bringt Licht in eine Dunkelheit, in der Ängste entstehen.

In diesem Sinne wünscht Euch der RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.

Kaan Orhon aus Göttingen, Islamwissenschaftler und Mitglied des Ältestenrates.