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"Namen nennen" - Gedanke zum Freitag

19.02.2021

Bismillah

„Namen nennen“ – Gedanke zum Freitag

Der Kalif der Muslim:innen, Imam Ali ibn Abi Talib (ra) sagte:

„Die Menschen sind von zweierlei Art: entweder sind sie Deine Geschwister im Glauben, oder sie sind Dir gleich in der Menschlichkeit.“

 

Gökhan Gültekin - Sedat Gürbüz - Said Nesar Hashemi - Mercedes Kierpacz - Hamza Kurtović - Vili Viorel Păun - Fatih Saraçoğlu - Ferhat Unvar - Kaloyan Velkov

 

Wir gedenken in tiefer Trauer und aufrichtiger Anteilnahme den Menschen, die heute vor einem Jahr von einem Rassisten ermordet wurden. Wir nennen ihre Namen, um das Andenken an sie wach zu halten und an das Unrecht, dass ihnen und ihren Familien angetan wurde und weil wir uns weigern, zur Normalität über zu gehen ohne als Gesellschaft und als Individuen Lehren aus diesem Verbrechen zu ziehen.

Wir nennen ihre Namen, damit sie in der Erinnerung nicht zu einer Zahl von anonymen Opfern werden, zu einer Ansammlung von Daten: Alter, Herkunftsländer, Staatsangehörigkeiten. Sie waren und sie sind in der Erinnerung ihrer Hinterbliebenen Menschen mit Namen, mit Gesichtern, mit Lebensgeschichten, mit Hoffnungen, Plänen und Wünschen. Jede und jeder geliebt und vermisst von vielen und unersetzbar. Wir nennen ihre Namen, damit ihr Leben in Erinnerung bleibt und nicht nur ihr Sterben.

Wir nennen ihre Namen auch, um dazu beizutragen, dass sie, die Opfer im Mittelpunkt stehen und nicht der Täter. Gerade vor dem Hintergrund der Inszenierung der Tat ist dies wichtig. Der Mörder von Hanau ist kein Einzeltäter – Einzeltäter existieren in dieser Form der politischen Gewalt eben nicht – sondern orientierte sich an vorangegangenen Rechtsterroristen, an den Massenmördern von Utøya, Charleston, Christchurch und Halle, in dem auch er seine Tat mit einem zuvor verfassten „Manifest“ begründet, in dem er Einblick in seine grauenhafte, von Menschenverachtung geprägte und dabei auch wahnhaft verzerrte Wahrnehmung der Welt gab.

An dieser arbeiten sich viele Beobachter*innen und Kommentator*innen ab. Auf eine abstoßende Art fasziniert viele das Ausmaß der Verschwörungs- und Vernichtungsfantasien. So erreicht der Täter, dass selbst im Tode noch die Beschäftigung mit ihm und seinen Gedanken im Mittelpunkt steht und das Andenken an seine Opfer in den Schatten drängt. Und genau auf diese anhaltende Beachtung zielte er ab, so wie die genannten anderen Täter vor ihm ebenfalls schon.

Die Namen, die Gesichter und die Leben der Opfer in Erinnerung zu halten, ist ein Akt des Widerstandes, den jede und jeder von uns auch heute noch leisten kann.

Und es ist schließlich auch eine Heilung, Namen zu nennen und von Menschen zu erzählen, die nicht mehr da sind. Eine Heilung, nicht so sehr vielleicht für die Hinterbliebenen, deren Schmerz sicher weitaus größer ist und bleiben wird, als das irgendeine Handlung von fremden Menschen, so gut sie auch gemeint sein mag, ihn lindern könnte. Ihnen kann ich nur, aus der Perspektive eines Gläubigen Menschen schreibend, wünschen, dass unser Schöpfer ihnen Kraft und Geduld schenkt und sie mit ihren geliebten Menschen nach einem langen gesegneten Leben wieder vereint.

Vielmehr ist es eine Heilung für die ganze Gesellschaft, sich an die Menschen als Menschen zu erinnern und nicht nur als Opfer. Daran zu denken und davon zu sprechen, wie sie im Leben waren, wovon sie geträumt haben und wie sie das Leben anderer Menschen bereichert haben.

Das Verbrechen von Hanau war schrecklich, und noch schrecklicher ist es, zu wissen, dass irgendwann vermutlich ein weiterer Fanatiker oder Extremist aus welcher ideologischen Motivation wieder zuschlagen und unschuldige Menschen töten oder verletzen kann, weil ihm oder ihr irgendein Teil ihres Menschseins nicht gefällt.

Aber man darf auch angesichts dieses Wissens nicht in Angst leben, sich nicht in die Rolle des möglichen nächsten Opfers drängen lassen. Auch das wäre ein Sieg des Mörders.
Stattdessen sollten wir mit Mut und Zuversicht und Freude leben und an die Mitmenschen erinnern, die uns genommen wurden. Und ihre Namen nennen.

In diesem Sinne wünscht Euch der RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.