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Organisiert euch

20.04.2018

Bismillah
„Organisiert Euch!“ – Gedanke zum Freitag

Der Gesandte Allahs – Segen und Frieden auf ihm – sagte:
„Das Gebet in der Gemeinschaft ist um siebenundzwanzig Stufen besser als das Gebet des Einzelnen.“
(Buhari, Ahmad, Muslim)

Ein Freund, der damals die Predigten des deutschsprachigen Freitagsgebetes an der Uni Bonn hielt, sagte mir einmal: „Was im Gebet klappt, klappt im Leben.“ Dieser Satz lässt sich auf viele Zusammenhänge anwenden, zum Beispiel: ‚Wer die Disziplin hat, seine Gebete zeitig zur verrichten, der kann das auch mit Terminen, Vorlesungsbeginn und Abgaben.‘
Eine andere Interpretation im Sinne der obigen Überlieferung unseres Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – wäre: ‚Was du alleine erreichen kannst, kannst du gemeinsam noch besser erreichen‘.

Eine Tendenz, die in fast allen Bereichen der Gesellschaft zu bemerken ist, ist die immer weiter fortschreitende Individualisierung und Auflösung von Strukturen und Bindungen. Dies kann sich positiv und negativ äußern. Auf der einen Seite kann es persönliche Freiheit, Mobilität und Kreativität fördern. Geht es etwa um den persönlichen Lebensweg, so stehen heute vielen jungen Menschen unvergleichlich viel mehr Optionen offen, als den Menschen eine, zwei oder sogar mehr Generationen vor uns.
Es gibt aber auch eine Kehrseite: Organisationen und Institutionen, die über eine lange Zeit eine Stütze der Gesellschaft waren, haben immer weniger Mitglieder, manchmal möchte man sagen, sie sind in Auflösung begriffen. In Deutschland sind populäre Beispiele dafür die politischen Parteien, die beiden großen Kirchen und die Gewerkschaften. Aber es sind weitaus mehr Bereiche des Lebens betroffen.

„Na und“ mag manch einer sagen, was ich mich interessiert, kann ich auch alleine machen, ich brauche dazu doch keinen Verein, keine Partei, keine Kirche (oder Moscheegemeinde). Aber das ist in vielen Bereichen ein fataler Irrtum, dann vor allem, wenn es darum geht, etwas zu bewegen.
Vor kurzem haben in vielen Städten in NRW Betriebe vor allem im öffentlichen Dienst Streiks erlebt. Für viele von uns war das vielleicht höchstens insofern relevant, als die Bahn oder der Bus zur Uni nicht gefahren ist. Aber die Arbeit von Gewerkschaften ist ein gutes Beispiel für die Bedeutung eines gemeinsamen Handelns. Der einzelne Arbeitnehmer wird nie durchsetzen können, was eine starke Gewerkschaft vermag.
Die Tendenz geht aber in vielen Bereichen in eine andere Richtung. Wenn man sich schon irgendwo einbringt, dann muss alles zu 100% passen – wenn ich mit einer Einzelheit nicht einverstanden bin, trete ich aus der Partei, dem Verein etc. aus. Finde ich nichts, was mir in jeder Einzelheit zusagt, mache ich lieber gar nichts.

So erleben wir – auch in muslimischen Gemeinden zum Beispiel – immer mehr immer kleinere Gruppen, die sich wundern, warum es ihnen so schwer fällt, ihre Interessen zu vertreten. Es werden lieber in der eigenen kleinen Kammer Verschwörungstheorien gesponnen, warum man nichts bewegt („Das System lässt uns nicht“) anstatt ein Anliegen gemeinsam mit anderen zu verfolgen.

Es sollte niemanden wundern, dass dieser Text mit einem Appell endet, sich in die Arbeit der muslimischen Hochschulgruppen einzubringen. Das ist vor allem für neue muslimische Studierende an deutschen Unis und FHs überall ein guter, ein logischer erster Schritt. Aber damit endet es nicht. Der RAMSA hat immer die Einstellung vertreten, dass es wichtig ist, mehr zu leisten und einen breiteren Horizont im Blick zu haben als nur „von Muslimen mit Muslimen für Muslime“.

Beschäftigt euch mit anderen Formen der Mitwirkung und des Einsatzes: im ASTA und in Fachschaften, in Uni-Zeitung oder Uni-Radio etc. Geht zu den Wahlen und stellt selbst Kandidaten auf. Knüpft und pflegt Beziehungen mit den verschiedenen Gruppen an eurer Hochschule, ob religiös, politisch, kulturell, künstlerisch oder was auch immer. Alle Anliegen, die die Studierendenschaft betreffen, sind auch die Anliegen der MHG und ihrer Mitglieder. Nur wer aktiv wird, kann gestalten und das am besten gemeinsam.

In diesem Sinne wünscht euch der RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.

Heute von: Kaan Orhon, Islamwissenschaftler und Mitglied des Ältestenrates