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"Sprache und Wörter" - Gedanke zum Freitag
Sprache und Wörter
Allah, der Erhabene, sagt in Seinem Buch in der sinngemäßen Übersetzung:
"Und sagt zu den Menschen das Beste." (Sure 2:83)
Sprache ist mehr als ein Mittel zur Verständigung – sie ist ein Instrument der Macht. Sie formt unsere Wahrnehmung, lenkt Debatten und beeinflusst, wie wir die Welt und uns selbst darin sehen. Sie kann Brücken bauen oder Gräben vertiefen, Vertrauen stiften oder Misstrauen schüren. Und sie kann dazu dienen, Menschen über diskursive Setzungen sukzessive aus dem gesellschaftlichen Selbstverständnis zu exkludieren – erst auf sprachlicher Ebene, dann in realen sozialen Strukturen.
In jüngster Zeit beobachten wir eine besorgniserregende Entwicklung: Begriffe, die ursprünglich nur an politischen Rändern Verwendung fanden, werden zunehmend gesellschaftsfähig. So verabschiedete beispielsweise die AfD Bayern im Dezember 2024 eine Resolution zur sogenannten „Remigration“ – ein Begriff, von der Neuen Rechten als Kampfbegriff umgewandelt und ein Konzept, das ausdrücklich die Rückführung von Menschen mit angeblich „gescheiterter Integration“ fordert. Zwar mag der Begriff selbst nicht zwingend in der “gesellschaftlichen Mitte” Fuß gefasst haben, doch seine antidemokratische Bedeutungsebene und die ihm innewohnende Abwertung von Menschen schleichen sich zunehmend in neuen sprachlichen Gewändern ein. Besonders besorgniserregend wird es vor allem dann, wenn Politiker:innen und Vertreter:innen dieser “Mitte” stattdessen auf eine Sprache zurückgreifen, die inhaltlich ähnliche Vorstellungen transportiert. Statt “Remigration” heißt es dann etwa “in großem Stil abschieben”. Solche Begriffe sind nicht harmlos und keineswegs zufällig gewählt. Sie erzeugen ein Narrativ, das Minderheiten nicht als Teil, sondern als Fremdkörper der Gesellschaft betrachtet, als Problem, das entfernt werden müsse.
Die Geschichte zeigt uns eindrücklich, dass Sprache niemals folgenlos bleibt. Ein erschütterndes historisches Beispiel hierfür ist der Genozid an den Tutsi in Ruanda im Jahr 1994. Im Vorfeld der Massaker wurden Tutsi systematisch als „Inyenzi“ („Kakerlaken“) bezeichnet. Diese gezielte sprachliche Entmenschlichung diente dazu, eine gesamte Bevölkerungsgruppe ihrer Würde zu berauben und den Boden für die darauffolgende Gewalt vorzubereiten, bei der binnen wenigen Wochen über 800.000 Menschen ermordet wurden.
Unsere Aufgabe kann nicht darin bestehen, uns bloß empört zurückzulehnen, während sich der Diskurs verschiebt. Vielmehr müssen wir den Mut aufbringen, Begriffe zu hinterfragen, manipulative Narrative zu entlarven und eine Sprache zu etablieren, die sich nicht dem populistischen Zeitgeist beugt, sondern der Wahrheit verpflichtet bleibt.
Wir dürfen nicht den Fehler machen, lediglich innerhalb der Deutungsrahmen zu argumentieren, die andere bereits gesetzt haben.
Lasst uns daher Sprache bewusster nutzen – etwa in unseren Beiträgen auf Social Media, in Diskussionsrunden, bei Veranstaltungen oder auch im persönlichen Umfeld. Präziser zu formulieren bedeutet konkret, differenzierte Begriffe zu verwenden, Hintergründe klar zu benennen und Pauschalisierungen entschieden entgegenzutreten. Gleichzeitig sollten wir achtsamer zuhören, indem wir bei missverständlichen Äußerungen Rückfragen stellen und nicht vorschnell urteilen. Denn Worte haben Gewicht – und wer Sprache nicht bewusst mitgestaltet, wird von ihr letztlich fremdbestimmt.
Möge Allah uns Weisheit und Standhaftigkeit schenken, um mit Klarheit zu sprechen und mit Überzeugung zu handeln.
In diesem Sinne wünscht Euch der RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.
Beyza Candan