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Im Namen der Ehre. Eine muslimische Stimme zu den Ereignissen am 05.05.2012 in Bonn

08.05.2012

Man mag sich fragen, was in den Köpfen derer vorgeht, die hämisch frohlockend Karikaturen einer Person in die Luft hängen, welche nunmehr schon seit unzähligen von Jahrhunderten nicht mehr unter uns weilt.

Man mag sich fragen, was in den Köpfen derer vorgeht, die gekommen sind, um die Ehre eben jener Person zu verteidigen, und sich dabei höchst unehrenhaft benommen haben.

Man mag sich fragen, was in den Köpfen derer vorgeht, die sich zurecht verpflichtet fühlen, Gewalt zu unterbinden und das Gesetz zu schützen, und dabei zwischen die Fronten undifferenzierten Hasses gekommen sind.

Man mag sich fragen, was in den Köpfen derer vorgeht, die anwohnen und obgleich der Szenen, die sich vor ihren Häusern dargestellt haben, um ihre Angehörigen fürchten.

Und man mag sich fragen, was in den Köpfen jener Richter vorgeht, welche wohlwissend um die Tragweite ihrer Entscheidung, den Demonstranten das Recht zusprachen, ihren Unmut – auch in der Form - kund zu tun.

Und eins vorweg: Die Entscheidung der Richter ist richtig, denn diesen Konflikt in den vereinsamten Sälen deutscher Gerichte auszufechten würde ihn nur allzu kurzfristig aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen, um ihm weiter Zeit zu gewähren sich allmählich satt zu nähren und alsbald in noch größerem Ausmaß auszubrechen. So, haben alle gesehen, was passiert ist. Es gibt keine zwei Sichtweisen.

Die Ehre eines Menschen, eines Propheten, ist ihm nicht zu nehmen durch eine Handvoll Provokateure und ihrer geistigen Misere, in der sie sich gemütlich eingenistet haben. Vielleicht aber wird jene Ehre befleckt durch solche, die vorgeben, in ihrem Namen zu sprechen, sich als ihre vermeintlichen Beschützer ausgeben und dabei ihrer persönlichen Wut und ihrer sinnlosen Gewalttätigkeit freien Lauf lassen. Wenn Rechtstaatlichkeit durch Faustrecht ersetzt wird, sind jene Minderheiten von Minderheiten die ersten Leidtragenden.

Allein soweit denken viele nicht. Eins ist sicher: Die pseudo-religiösen Ultras haben neo-nazistischen Tendenzen einen immensen Dienst erwiesen. In Oslo haben tausende Menschen noch vor kaum vergangener Zeit friedlich gegen Hass und ideologischen Wahnsinn und für Freiheit und Menschenwürde mit gemeinsamer Stimme gesungen. In Bonn fällt einigen Gegendemonstranten nichts anderes ein, als mit Pflastersteinen zu schmeißen.

Schändlicher kann ein Verhalten nicht sein!

 

Von:

Amir Dziri, Islamwissenschaftler

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für islamische Theologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster