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Stereotype Threat – (Un)Bekanntes Phänomen?

28.08.2012

„Frauen können kein Mathe“, „Migrantenkinder sind weniger intelligent.“, solche und ähnliche Sätze sind jedem bekannt; werden wir doch tagtäglich mit Stereotypen und Vorurteilen konfrontiert. Auch, dass diese beträchtliche Konsequenzen für die betroffenen Gruppen haben können, ist nicht neu. Von der sich selbst erfüllenden Prophezeiung (self-fulfilling prophecy) haben die meisten schon gehört; hierbei führt der Glaube an ein Vorurteil zur Bestätigung desselben.

Doch was ist mit denjenigen die sich selbst immun gegen Vorurteile wähnen? Frauen, die beispielsweise hervorragend in Mathe sind und nicht an diese glauben? Sollten nicht solche Personen vor Leistungseinbußen geschützt sein?

Was die meisten nicht wissen: Genau dann, wann man in einem Gebiet besonders erfolgreich ist, bzw. einem gute Leistungen in diesem Gebiet wichtig sind, schlägt das Phänomen des Stereotype Threat (STT) zu.

Wie ist Stereotype Threat definiert?

„Stereotype Threat bezeichnet das Phänomen, dass das Aktivieren negativer Stereotype in Leistungssituationen zu reduzierten Leistungen führen kann.“ (Martiny & Götz, 2011, S. 153).

Wichtige Moderatoren sind dabei die Aufgabenschwierigkeit, sowie die Identifikation mit der Gruppe und mit der Domäne; d.h. dem Gebiet in dem die Leistung erbracht werden soll (Martiny & Götz, 2011). Werden beispielsweise Frauen, denen eine gute Leistung in Mathe sehr wichtig ist vor einem Mathematik-Test mit dem Stereotyp „Frauen können kein Mathe“ konfrontiert, so schneiden sie signifikant schlechter ab, als Frauen in einer Kontrollgruppe (Cadinu, Maass, Rosabianca & Kiesner, 2005). Dabei genügt es nur anzudeuten, dass es einen Unterschied in der Leistungsfähigkeit gibt, ohne explizit auf das Stereotyp hinzuweisen.

Konsequenzen von Stereotype Threat

Die Konsequenzen, die Stereotype Threat für die betroffenen Personen hat, sind vielfältig. Man kann zwischen kurz- und langfristigen Auswirkungen unterscheiden. So sinken zum einen die Leistungen in der momentanen Leistungssituation, zum anderen kann STT zur Disidentifikation und Vermeidung der Domäne führen. In Bezug auf Frauen und Mathe, bedeutet dies, dass sich Frauen nicht mehr mit dem Fach Mathe identifizieren, was bis hin zu einer Vermeidung, sich überhaupt mit Mathematik auseinander zu setzen, führen kann.

Wie fatal sich Stereotype Threat auf die schulische Laufbahn auswirken kann demonstriert eine Studie von Osborne und Walker (2006). Die Studie zeigte, dass gerade diejenigen afro-amerikanischen Jugendlichen, „die sich zu Beginn der Studie am stärksten mit der akademischen Domäne identifizieren und die besten Leistungen zeigten, nach zwei Jahren auf einer weiterführenden, ethnisch gemischten Schule am wahrscheinlichsten die Schule abbrachen.“ (zit. nach Martiny & Götz, 2011, S.167).

Stereotype Threat – Was kann man dagegen tun?

Schofield et al. gehen in ihrer AKI (Arbeitsstelle Interkulturelle Konflikte und gesellschaftliche Integration)-Forschungsbilanz 5 von 2006 auf die Problematik, die Stereotype Threat für Kinder mit Migrationshintergrund hat, ausführlich ein; wobei auch der Einfluss anderer Phänomene, wie die sich selbst erfüllende Prophezeiung und die Auswirkungen von Lehrererwartungen, untersucht werden.

Aufgrund der fatalen Auswirkungen, die Stereotype Threat auf Leistung, Motivation und die schulische Laufbahn haben kann, stellt sich natürlich auch die Frage, wie man STT entgegenwirken kann. So schlagen die Autoren als Gegenmaßnahmen vor „Bedingungen zu schaffen, in denen SchülerInnen mit Migrationshintergrund nicht befürchten, in der Schule voreingenommen beurteilt zu werden. […] Dies sind etwa Unterrichtsmethoden des kooperativen Lernens, Schulphilosophien und eine schulische Praxis, die die Wertschätzung kultureller Vielfalt unterstreichen, der Aufbau positiver Beziehungen zwischen einheimischen und eingewanderten Kindern sowie die Einstellung gut qualifizierter Lehrkräfte mit Migrationshintergrund, die für Kinder mit ähnlichem Hintergrund starke Vorbilder sein können.“

Fazit

Stereotype Threat – ein Phänomen, welches bereits seit einiger Zeit bekannt ist und nicht zu unterschätzende Auswirkungen für die Betroffenen hat. In Deutschland findet es erst seit kurzem Beachtung. Bleibt zu hoffen, dass sich Politik und Gesellschaft darum bemühen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um die Chancengleichheit an Schulen und Universitäten zu fördern.

„Wir haben ein großes Haus geerbt, ein großes Haus der Welt, in dem wir zusammen leben müssen – Schwarze und Weiße, Morgenländer und Abendländer, Juden und Nichtjuden, Katholiken und Protestanten, Muslime und Hindus –eine Familie, die in Ideen, Kultur und Interessen zu Unrecht getrennt ist, die, weil wir niemals wieder getrennt leben können, irgendwie lernen muss, in Frieden miteinander auszukommen." Martin Luther King

Von: Nadia Said, Psychologie-Studentin in Heidelberg

 

Literatur

Cadinu, M., Maass, A., Rosabianca, A., Kiesner, J. (2005).  Why Do Women Underperform Under Stereotype Threat? Evidence for the Role of Negative Thinking. Psychological Science,16, 572-578

Martiny, S.E. & Götz, T. (2011). Stereotype Threat in Lern- und Leistungssituationen: Theoretische Ansätze, empirische Befunde und praktische Implikationen. In M. Dresel & L. Lämmle (Hrsg.) Motivation, Selbstregulation und Leistungsexzellenz (Talentförderung – Expertisenentwicklung – Leistungsexzellenz, Bd. 9, S.153-177). Münster: LIT.

Schofield, J.W., Alexander K., Bangs R. & Schauenburg, B. (2006). Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg. Forschungsergebnisse der pädagogischen, Entwicklungs- und Sozialpsychologie, AKI-Forschungsbilanz 5.