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Zum Todestag von H. Le Gai Eaton am 26. Februar - Inspiration
Ich wurde in der Schweiz geboren, als Kind von britischen Eltern, als Kind des Krieges. Zur Zeit meiner Geburt wurde das Friedensabkommen, das den ersten Weltkrieg beendete, das Abkommen mit der Türkei, in der Nähe von Lausanne unterschrieben. Der größte Sturm, welches das Gesicht der Welt kurzzeitig verändert hatte, war erschöpft, aber seine Auswirkungen waren überall sichtbar. Alte Gewissheiten und die darauf aufbauende Moral hatten einen tödlichen Schlag bekommen. Allerdings war mein familiärer Hintergrund mit dem Blut des Konfliktes befleckt. Mein, zu meiner Geburt bereits 67-jähriger, Vater war während der Kriege gegen Napoleon Bonaparte geboren. Beide sind Soldaten gewesen…
Dennoch hätte ich wenigstens ein Heimatland haben können. Ich hatte keines. Auch wenn ich in der Schweiz geboren war, war ich nicht Schweizer. Meine Mutter war in Frankreich aufgewachsen, und liebte die Franzosen über alles, aber ich war nicht Franzose. War ich Engländer? Ich habe mich so gefühlt. Es ermüdete meine Mutter nicht, mich daran zu erinnern, dass die Engländer kalt, dumm, geschlechtslos, und frei von Intellekt und Kultur waren. Ich wollte nicht so sein, wie sie. Wo gehörte ich also hin - wenn ich überhaupt irgendwo hingehörte? Im Nachhinein kommt es mir so vor, als wäre diese merkwürdige Kindheit eine Vorbereitung gewesen, um den Islam anzunehmen. Wo auch immer er geboren sein mag, und wo auch immer seine Herkunft ist, die Heimat des Muslims ist der Dar-ul-Islam, das Haus des Islams. Sein Pass im Dies- und Jenseits ist das einfache Glaubensbekenntnis, „La ilaha illa‘ Llah“. Er erwartet nicht – oder sollte es nicht erwarten – Sicherheit oder Stabilität in dieser Welt zu haben, und muss sich stets die Tatsache vor Augen halten, dass der Tod ihn morgen holen kann. Er hat keine festen Wurzeln hier auf dieser zerbrechlichen Erde. Seine Wurzeln sind darüber, in Dem, was alleine besteht.
Wie verhielt es sich aber mit dem Christentum? Falls mein Vater irgendwelche religiösen Überzeugungen hatte, so hat er sie nie zum Ausdruck gebracht. Obwohl, seinem Totenbett und den 90 näher kommend, fragte er: „Gibt es einen glücklichen Ort?“ Meine Erziehung war völlig meiner Mutter überlassen. Ich glaube, dass sie vom Temperament her nicht ungläubig war, aber sie war im religiösen Rahmen aufgewachsen, und lehnte die so genannte organisierte Religion ab. Einer Sache war sie sich sicher: ihr Sohn sollte frei sein, für sich selbst zu denken, und sollte niemals gezwungen werden, andere Meinungen zu übernehmen. Sie war entschlossen, mich davor zu bewahren, von der Religion „am Halse gepackt“ zu werden. Sie warnte eine Reihe von Kindermädchen, die in unserem Haus ein- und ausgingen, und uns in den Ferien nach Frankreich begleiteten, dass sie alle auf einmal entlassen würden, falls sie jemals Religion vor mir erwähnten. Als ich aber fünf oder sechs war, wurden ihre Vorgaben von einer jungen Frau verspottet, dessen Ambition es war, Missionarin in Arabien zu werden. Sie wollte die Seelen dieser gottverlassenen Menschen retten, die, so sagte sie mir, in einem heidnischen Glauben, „Moslemismus“ genannt, verloren waren. Das war das erste Mal, dass ich von Arabien hörte, und sie zeichnete mir eine Karte von diesem mysteriösen Land.
Eines Tages nahm sie mich mit auf einen Spaziergang hinter dem Wandsworth Gefängnis (damals lebten wir in der Kommune von Wandsworth). Ich muss mich wohl auf irgendeine Art und Weise schlecht benommen haben, denn sie packte mich am Arm, zeigte auf das Gefängnistor und sagte: „Es gibt einen rothaarigen Mann im Himmel, der dich dort einsperren wird, wenn du frech bist!“ Das war das erste Mal, dass ich von „Gott“ hörte, und mir gefiel nicht, was ich hörte. Aus irgendeinem Grund hatte ich Angst vor Männern mit roten Haaren (das hatte sie wissen müssen), und speziell dieser Mann – der über den Wolken lebte und dem verschrieben war, freche Jungen zu bestrafen – erschien mir sehr beängstigend. Sobald wir nach Hause kamen, fragte ich meine Mutter nach ihm. Ich erinnere mich nicht mehr, was sie sagte, um mich zu trösten, aber das Mädchen wurde sofort entlassen.
Letztendlich – und viel später als die meisten anderen Kinder – wurde ich zur Schule geschickt, besser gesagt zu einer Reihe von Schulen in England und der Schweiz, bevor ich mit 14 in Charterhouse ankam. Sicher, mit Gottesdienst in der Schulkappelle und Unterricht zur Heiligen Schrift hätte das Christentum eine Auswirkung auf mich haben sollen. Es hatte überhaupt keine Auswirkungen, weder auf mich, noch auf meine Schulkameraden. Das überrascht mich nicht. Religion kann sich nicht effektiv als Ganzes überleben, wenn es sich auf einen Teil des Lebens und der Bildung begrenzt. Religion ist entweder alles oder gar nichts; entweder es stellt alle profanen Studien in den Schatten, oder sie wird von letzteren überschattet. Ein oder zwei Mal die Woche wurden wir über die Bibel unterrichtet, genauso wie wir in anderen Fächern belehrt wurden. Man ging davon aus, dass die Religion nichts mit dem wichtigeren Studium zu tun hatten, welches den Kern unserer Bildung darstellte. Gott griff nicht in die geschichtlichen Ereignisse ein, Er beschloss nicht die Phänomena, die wir in den Naturwissenschaften besprachen, Er war kein Teil von aktuellen Geschehnissen; und die Welt, die ausschließlich von Zufall und Materiellem regiert wurde, hatte ohne Bezug auf etwas, das über ihre Grenzen hinaus vielleicht, oder auch nicht existierte, verstanden zu werden. Gott war der Überschuss zu allen Anforderungen…
Und trotzdem musste ich die Bedeutung meiner eigenen Existenz kennen. Nur diejenigen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens von solch einem Verlangen ergriffen waren, können dessen Intensität erahnen, vergleichbar mit physischem Hunger oder Lust. Ich wusste nicht, wie ich einen Fuß vor den anderen setzen sollte, bevor ich nicht verstanden hatte, wo und warum ich gerade ging. Ich konnte nichts tun, bevor ich nicht verstanden hatte, welche Rolle meine Taten im System der Dinge hatten. Alles was ich wusste, war, dass ich nichts wusste – jedenfalls nichts was auch nur den Hauch von Wichtigkeit hatte –, und meine Unwissenheit lähmte mich, als befände ich mich in dichtem Nebel.
Wo sollte ich nach Wissen suchen? Als ich 15 war hatte ich etwas namens „Philosophie“ entdeckt, und dass dieses Wort „Liebe der Weisheit“ bedeutete. Ich war auf der Suche nach Weisheit also musste die Befriedigung meines Verlangens in diesen von weisen Männern geschriebenen, schweren Büchern versteckt sein. Mit großer Aufregung wälzte ich mich wie ein Entdecker, der neues Land sieht, durch Descartes, Kant, Hume, Spinoza, Schopenhauer und Bertrand Russell, oder las Texte, die deren Lehren erklärten. Das war kurz bevor ich realisierte, dass etwas nicht stimmte. Ich hätte genauso gut Sand essen können, anstatt hier nach Nahrung zu suchen. Diese Männer wussten nichts. Sie spekulierten nur, sie dachten sich Ideen in ihren armen Köpfen aus. Jeder kann spekulieren, auch ein Schuljunge. Wie konnte ein 15- oder 16-jähriger die Frechheit besitzen, die gesamte westliche Philosophie als wertlos zu bezeichnen? Man muss nicht reif sein, um zwischen dem, was der Qur’an „dhann“ (Meinung) nennt, und wirklichem Wissen unterscheiden zu können. Gleichzeitig zwang mich die ständige Beharrung meiner Mutter darauf, ich solle mich nicht darum scheren, was andere sagten und dachten, dazu, meinem eigenen Urteil zu vertrauen. Die westliche Kultur betitelte diese „Philosophen“ als große Männer, und Studenten studierten mit großem Respekt ihre Werke in Universitäten. Aber was war das für mich?
Einige Zeit später machte ein Lehrer, der sich besonders für mich interessierte, eine merkwürdige Bemerkung, die ich überhaupt nicht verstand. „Du bist, sagte er, der einzig wirklich universale Skeptiker, den ich kenne.“ Er bezog sich nicht ausschließlich auf die Religion. Er meinte, dass ich anscheinend alles anzweifelte, was alle anderen als erwiesen annahmen. Ich wolle wissen, warum man davon ausgehen sollte, dass unsere Ratio, die so gut geeignet ist, dass wir Essen, Halt und Freunde finden, sich über das Weltliche hinaus anwende ließe. Es verwirrte mich, dass das Gebot „Du sollst nicht töten“ für diejenigen verbindlich sein sollte, die weder Juden noch Christen waren. Ich war auch umso mehr verwirrt, dass in einer Welt voller schöner Frauen Monogamie als universal anwendbar gesehen werden sollte. Ich zweifelte sogar an meiner eigenen Existenz. Lange Zeit danach stoß ich auch die Geschichte des chinesischen Weisen Chuangtzu der, nachdem er geträumte hatte, er sei ein Schmetterling, aufwachte und sich fragte, ob er der Mann Chuangtzu war, der geträumt hatte, er sei ein Schmetterling, oder ein Schmetterling der geträumt hatte, er sei Chuangtzu. Ich verstand sein Dilemma.
Allerdings hatte ich bereits den Schlüssel zu etwas gefunden, das vielleicht ein noch sichereres Wissen war, als mein Lehrer diese Bemerkung machte. Durch Zufall – auch wenn es so etwas wie „Zufall“ nicht gibt – war ich auf ein Buch von einem gewissen Professor Perry, einem Ägyptologen, namens „Der Ozean des Ursprungs“ gestoßen. Er hatte die fixe Idee, dass die alten Ägypter mit ihren Papyrusbooten in die Welt gesegelt waren, und ihre Religion, die Mythologie, weit verbreitet hatten. Um seine Theorie zu beweisen, hatte er viele Jahre damit verbracht, Recherchen über alte Mythologien und Mythen und Symbole „primitiver“ Menschen unserer Zeit zu machen. Er entdeckte eine erstaunliche Einheit im Glauben, der bildlich allerdings unterschiedlich zum Ausdruck kam. Seine Theorie zu den Papyrusbooten hatte er nicht bewiesen, sondern etwas ganz anderes dachte ich. Es schien so, als wären hinter dieser Tapete von Formen und Bildern gewisse universale Wahrheiten in Bezug auf die Herkunft von Realität, Entstehung von Welt und Menschheit, Bedeutung von menschlicher Erfahrung; Wahrheiten, die genauso wie Blut und Knochen ein Teil von uns waren.
Einer der Hauptgründe für Unglauben in der modernen Welt ist die Vielfalt an Religionen, die den Anschein von gegenseitigem Widerspruch haben. Solange die Europäer von ihrer eigenen Überlegenheit überzeugt waren, hatten sie keinen Grund daran zu zweifeln, dass das Christentum der einzig wahre Glaube war. Die Auffassung, dass sie im Besitz der Krone des „Evolutionsprozesses“ waren, machte es einfach davon auszugehen, dass alle anderen Religionen nichts weiter waren, als naive Versuche, beständige Fragen zu beantworten. Als dieses Selbstvertrauen fiel, schlichen sich Zweifel ein. Wie war es einem guten Gott möglich zu erlauben, dass die Mehrheit der Menschen zum Dienste falscher Religionen lebte und starb? War es für einen Christen weiterhin möglich zu denken, dass nur er errettet wurde? Andere behaupteten dasselbe – die Muslime zum Beispiel –, wie konnte man also sicher sein, wer Recht hatte, und wer nicht? Für viele Menschen, mich eingeschlossen bis ich auf Perrys Buch stoß, war die naheliegende Schlussfolgerung, dass jeder falsch liegen musste, da nicht jeder Recht haben konnte. Religion war eine Illusion, das Produkt von Wunschdenken. Andere hätten es für möglich gehalten, „Mythen“ durch „wissenschaftliche Wahrheiten“ zu ersetzen. Ich konnte es nicht, da Wissenschaft auf Annahmen zur Unfehlbarkeit von Verstand und Realität der Sinne basierte, die niemals bewiesen werden könnten.
Als ich das Buch von Perry las, wusste ich nichts vom Qur’an. Das kam später. Das bisschen, was ich vom Islam gehört hatte, war von Vorurteilen verdreht, die sich über tausend Jahre von Konfrontation angesammelt hatten. Trotzdem, hätte ich das bloß gewusst, hatte ich schon einen Schritt in die Richtung des größten Konkurrenten des Christentums gemacht. Der Qur’an versichert uns, dass kein Mensch der Welt jemals ohne göttliche Lenkung geblieben ist, sowie eine Lehre der Wahrheit. Diese wurde durch einen Gesandten Gottes überliefert, der mit den Leuten in deren Sprache redete und deswegen deren Umstände und Bedürfnisse ansprach. Die Tatsache, dass solche Botschaften im Laufe der Zeit verdreht werden, versteht sich von selbst. Niemand sollte überrascht sein, wenn die Wahrheit von Generation zu Generation verdreht wird, aber es wäre erstaunlich, wenn keine Spuren von den erlebten Jahrhunderten überbleiben würden. Jetzt kommt es mir so vor, als wäre es in totalem Einklang mit dem Islam zu denken, dass diese in Mythen und Symbolen (die „Sprache“ der Menschen in früheren Zeiten) verkleideten Botschaften direkt von der offenbarten Wahrheit stammen und die endgültige Botschaft bestätigen.
Ich ging von Charterhouse nach Cambridge, wo ich mein offizielles Studium, das mir belanglos und langweilig erschien, für das einzige Studium vernachlässigte, das von Bedeutung war. Es war das Jahre 1939. Der Krieg war ausgebrochen, kurz bevor ich zur Uni gegangen war, und in zwei Jahren würde ich bei der Armee sein. Im Grunde schien es möglich, dass die Deutschen es schaffen würden, mich umzubringen, genauso wie ich es immer dachte. Ich hatte nur wenig Zeit, um Antworten auf die Fragen zu finden, von denen ich noch immer besessen war. Das zog mich aber nicht zu irgendwelchen organisierten Religionen. Wie die Mehrheit meiner Freunde, verachtete ich die Kirchen und all diejenigen, die Lippenbekenntnisse zu einem Gott äußerten, den sie nicht kannten. Bald war ich aber gezwungen, diese Feindlichkeit zu mäßigen. Ich erinnere sehr genau an die Szene, auch nach mehr als einem halben Jahrhundert: einige von uns verweilten nach dem Abendessen noch im Saal des King’s College, und tranken Kaffee. Das Gesprächsthema ging über zur Religion. An der Spitze des Tisches saß ein Student ohne Vordiplom, der von allen für seine Brillanz, seinen Geist und seine Kultiviertheit bewundert wurde. In der Hoffnung ihn zu beeindrucken, ergriff ich die Gelegenheit einer kurzen Stille, und sagte: „Heutzutage glaubt kein intelligenter Mensch mehr an Gott oder Religion!“ Er schaute mich ziemlich traurig an und antwortete: „Im Gegenteil, heutzutage sind die intelligenten die einzigen Menschen, die noch an Gott glauben.“ Ich wollte unter den Tisch im Boden versinken…
Ich hatte allerdings einen weisen Freund, er war 40 Jahre älter als ich, den ich total überzeugend fand. Es war der Schriftsteller L. H. Meyers, der zu der Zeit als „einziger philosophischer Romancier“ galt, den England je produziert hatte. Sein Hauptwerk „Die Wurzel und die Blume“ beantwortete nicht nur viele der Fragen, die an mir nagten, es drückte auch ganz großartig ein Gefühl von Gelassenheit, verbunden mit Mitgefühl aus. Es schien mir so, als wäre die Gelassenheit der größte Schatz, den man im Diesseits besitzen konnte, und Mitgefühl die größte Tugend. Er war ganz klar ein Mann, den kein Sturm umhaute, und der mit weisem Auge über den Aufruhr der menschlichen Existenz wachte. In den drei darauf folgenden Jahren schrieben wir uns mindestens zwei Mal im Monat. Ich schüttete ihm mein Herz aus, während er mit gleicher Leidenschaft antwortete, überzeugt davon, er hätte in diesem jungen Bewunderer jemanden gefunden, der ihn verstand. Letztendlich trafen wir uns. Das war das Siegel zu unserer Freundschaft.
Jedoch war nicht alles so, wie es schien. Ich begann, einen Hauch von innerer Qual, Traurigkeit und Ernüchterung in seinen Briefen zu spüren. Als ich ihn fragte, ob er seine gesamte Gelassenheit in seine Bücher steckte, und nichts für sich selbst aufhob, antwortete er: „Ich glaube, deine Bemerkung war scharfsinnig und wahrscheinlich richtig.“ Er hatte sein ganzes Leben dem Streben nach Vergnügung und „Erfahrungen“ (erhaben und erbärmlich zugleich, wie er meinte) verschrieben. Nur wenige Frauen in hohen oder niedrigen Kreisen waren in der Lage gewesen, seiner erstaunlichen Kombination aus Wohlstand, Charme und guten Aussehen zu widerstehen. Er hingegen hatte keinen Grund gehabt, ihren Verführungskünsten zu widerstehen. Obgleich von Spiritualität und Mystik fasziniert, gehörte er keiner Religion an, und befolgte auch sonst keine konventionellen und moralischen Regeln. Nun merkte er, dass er alt wurde und konnte diesem Ausblick nicht gegenübertreten. Er hatte versucht sich zu verändern, er hatte sogar versucht, seine Vergangenheit zu bereuen; aber es war zu spät. Ein wenig mehr als drei Jahre nachdem unser Briefverkehr begonnen hatte, beging er Selbstmord.
Meine Zuneigung für ihn hatte Bestand, und demzufolge nannte ich meinen ältesten Sohn nach ihm. Leo Myers Tod aber lehrte mich mehr als alles, was ich von seinen Büchern lernen konnte; auch wenn ich einige Jahre brauchte, um die volle Bedeutung dessen zu erkennen. Seine Weisheit hatte nur in seinem Kopf existiert. Nie hatte sie seine menschliche Substanz erreicht. Ein Mann kann durchaus sein Leben damit verbringen, spirituelle Bücher zu lesen und die Schriften von großen Mystikern zu untersuchen. Es mag sein, dass er das Gefühl hat, die Geheimnisse der Himmel und der Erde durchschaut zu haben. Aber bevor dieses Wissen nicht Teil seiner Natur wird, bleibt es steril. Mich beschlich allmählich der Verdacht, dass ein einfacher Mann des Glaubens, der mit wenig Verständnis dafür aber mit ganzem Herzen zu Gott betet, mehr Wert sein könnte als die belesensten Studenten der Spirituellen Wissenschaften.
Eine Hindu Vedanta Studie, der metaphysische Kern der hinduistischen Glaubenslehre, hatte Myers stark beeinflusst. Das Interesse meiner Mutter für Raja Yoga hatte mich schon in diese Richtung geführt. Vedanta rückte also ins Zentrum meiner Interessen, und wurde letztendlich zu dem Weg, der mich zum Islam bringen sollte. Das schockiert die meisten Muslime und erstaunt all diejenigen, denen klar ist, dass der Ausgangspunkt des Islam die kompromisslose Verurteilung jeglichen Götzendienstes ist. Dennoch bin ich keineswegs ein Einzelfall. Welchen Glauben auch immer die Hindumessen haben, Vedanta ist die Lehre der puren Einheit, der einzigen Realität, und deswegen auch die Lehre dessen, was im Islam Tawhid genannt wird. Muslime sollten am wenigsten Schwierigkeiten haben, zu verstehen, dass eine Lehre der Einheit allen Religionen zugrunde liegt, die von Beginn an die Menschheit ernährt haben – ganz gleich welche götzendienerischen Illusionen „den Juwel im Lotus“ bedeckt haben, sowie persönlicher Götzendienst den Kern des Herzen bedeckt. Wie könnte es anders sein, da Tawhid die Wahrheit ist, und die Worte eines großen christlichen Mystiker lauten: „Die Wahrheit ist dem Menschen angeboren“?
Meine Zeit in Cambridge endete viel zu früh. Ich wurde in das Royal Military College in Sandhurst geschickt. Fünf Monate später trat ich als junger Offizier hervor, bereit zu töten oder getötet zu werden. Man entsandte mich als Anhang zu einem Regiment im Norden Schottlands, um mehr von der Kunst des Krieges zu lernen. Hier war ich auf mich alleine gestellt, und verbrachte die Zeit entweder damit, zu lesen, oder ich spazierte die Granitklippen über der tosenden nördlichen See entlang. Es war ein stürmischer Ort aber ich fühlte mich in Frieden, wie noch niemals zuvor. Je mehr ich über Vedanta und die alte chinesische Lehre des Taoismus las, desto sicherer wurde ich, dass ich wenigstens ein bisschen Verständnis von der Natur der Dinge hatte. Ich wurde auch sicherer, dass ich – wenn auch nur in Gedanken und Vorstellungen – einen kurzen Blick auf die Realität geworfen hatte, neben der alles andere ein wenig mehr als ein Traum war. Noch war ich jedoch nicht dazu bereit, diese Realität „Gott“, geschweige denn „Allah“ zu nennen.
Als ich die Armee verließ, fing ich an zu schreiben. Ich hatte das Bedürfnis, meine Gedanken zum Ausdruck zu bringen, um sie gleichzeitig auch zu ordnen. Ich schrieb über Vedanta, Taoismus und Zen Buddhismus, aber auch über gewisse westliche Autoren (unter anderem Leo Myers), die von diesen Lehren beeinflusst worden waren. Durch ein zufälliges Treffen mit dem Dichter T. S. Eliot, damaliger Verlagschef, wurden diese Essays unter dem Titel „The Richest Vein“ (ein Zitat von Thoreau: „My instinct tells me that my head is an organ for burrowing, as some creatures use their snouts or forepaws, and with it I would burrow my way through these hills. I think that the richest vein is somewhere hereabout…”) veröffentlicht. Ich hatte aber schon einen neuen Wegweiser. Ich hatte Rene Guenon entdeckt, einen Franzosen, der die meiste Zeit seines Lebens in Kairo als Scheikh Abdul Wahed verbracht hatte.
Guenon untergrub zunächst alle Annahmen, die moderne Männer – das heißt westliche oder Europäer – als selbstverständlich sahen, um sie anschließend mit kompromissloser intellektueller Härte zu zerstören. Viele andere waren kritisch der Richtung gegenüber gewesen, die die europäische Zivilisation seit der so genannten „Renaissance“ eingeschlagen hatte. Niemand aber hatte sich getraut, so radikal zu sein wie er, oder mit solch einer Kraft die Prinzipien und Werte wieder geltend zu machen, die die westliche Kultur der Mülldeponie der Geschichte übergeben hatte. Sein Thema war die „ursprüngliche Tradition“, oder Sofia perennis, die in alten Mythologien und in der metaphysischen Lehre, also im Ursprung der großen Religionen, Ausdruck fanden – so behauptete er. Die Sprache dieser Tradition war die Sprache des Zeichens, und er hatte keinen Gleichgestellten in seiner Interpretation des Zeichens. Darüber hinaus stellte er die Idee des menschlichen Fortschritts auf den Kopf. Er ersetzte sie durch den vor der modernen Zeit universalen Glauben, dass die Menschheit im Laufe der Zeit in spiritueller Existenz abnimmt, und dass wir jetzt im dunklen Zeitalter sind, welches dem Ende vorangeht; ein Zeitalter, in dem alle Möglichkeiten der früheren Kulturen in die Welt gespuckt sind, in dem Quantität Qualität ersetzt, und in dem Dekadenz ihre Grenze erreicht. Niemand, der seine Texte las, und ihn verstand, konnte jemals wieder der selbe sein.
Wie andere, deren Perspektive sich durch die Lektüre von Guenon verändert hatte, war ich nun ein Fremder in der Welt des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Logik seiner Überzeugungen hatte ihn dazu geführt, den Islam, die letzte Offenbarung, und die Zusammenfassung von all dem, was zuvor war, anzunehmen. Ich war noch nicht bereit dazu, lernte aber bald meine Meinung zu verbergen, oder sie zumindest zu verschleiern. Niemand kann auf Dauer glücklich in Unstimmigkeit mit seinen Mitmenschen leben. Man kann auch in keine Streitigkeit mit ihnen einsteigen, da man unausgesprochene aber fundamentale Annahmen nicht teilt. Streit und Diskussion erfordern gemeinsamen Boden, der von den Involvierten geteilt werden muss. Gibt es keinen solchen gemeinsamen Boden, sind Verwirrung und Missverständnisse, wenn nicht gar Wut, unvermeidbar. Die Überzeugungen, die die Basis aktueller Kultur darstellen, werden mit nicht weniger Leidenschaft aufrecht erhalten, wie bedingungsloser religiöser Glaube. Das zeigte beispielsweise der Konflikt über die Novelle von Salman Rushdie, „The Satanic Verses“.
Gelegentlich vergaß ich meinen Vorsatz, mich nicht in ergebnislose Debatten einzubringen. Vor einigen Jahren war ich Gast bei einer Party in Trinidad. Die junge Frau neben mir sprach mit einem christlichen Minister, der ihr gegenüber saß. Ich hörte nur mit halbem Ohr hin, bis sie sagte, sie sei nicht sicher, ob sie an den menschlichen Fortschritt glaubte. Der Minister antwortete so grob und mit solch einer Verachtung, dass ich der Versuchung nicht wiederstehen konnte, zu sagen: „Sie hat schon recht, so etwas wie Fortschritt gibt es nicht!“ Er drehte sich zu mir, sein Gesicht vor Wut verdreht: „Wenn ich das denken würde, würde ich noch heute Nacht Selbstmord begehen.“ Da Selbstmord für die Christen genauso eine Sünde ist wie für die Muslime, verstand ich zum ersten Mal, in welchem Maße der Glaube an den Fortschritt, an eine „bessere Zukunft“ und somit auch an die Möglichkeit vom Paradies auf Erden, den Glauben an Gott und dem Diesseits ersetzt hatte. In den Schriften des abtrünnigen Priesters Teilhard de Chardin war das Christentum an sich zur Religion des Fortschritts heruntergestuft worden. Entzieht man dem modernen Weststaatler diesen Glauben, so ist er verloren in einer Wildnis ohne jegliche Wegweiser.
Als „The Richest Vein“ veröffentlicht wurde, verließ ich England, um nach Jamaika zu gehen. Ich hatte dort einen Schulfreund, von dem ich wusste, dass er irgendeine Arbeit für mich finden würde. Auf der Rückseite des Buches hatte man mich als „reifen Denker“ beschrieben. Das Adjektiv „reif“ war außerordentlich unpassend. Als Mann, als Persönlichkeit kam ich gerade erst aus der Pubertät. Jamaica war ein idealer Ort, um meine jugendlichen Fantasien auszuleben. Verstehen konnten diese Gelüste und Versuchungen, die die Suche nach „Erfahrung“ und sexuellem Abenteuer bietet, nur diejenigen, die einige Erfahrungen mit dem westindischen Leben in der unmittelbaren Nachkriegszeit gemacht hatten. So wie Myers hatte auch ich keine moralische Prägung, die mich hätte einschränken können. Als ich anfing Briefe von Menschen zu bekommen, die dachten, ich sei ein alter Mann – „mit einem langen weißen Bart“, wie einer von ihnen schrieb – voller Weisheit und Mitgefühl, wurde ich verlegen. Ich wünschte mir, ich könne sie so schnell wie möglich von dieser Illusion befreien, und diese Verantwortung loswerden, die sie mir auferlagen. Eines Tages kam ein katholischer Priester auf die Insel, um bei Freunden zu verweilen. Er sagte ihnen, er habe gerade ein „faszinierendes Buch“ von jemandem gelesen, der Gai Eaton hieß. Er war erstaunt zu hören, dass der Autor momentan auf Jamaika war, und fragte, wie er mich denn treffen könne. Seine Freunde nahmen ihn mit auf eine Party, von der sie gehört hatten, dass man mich dort vielleicht antreffen würde. Man stellte ihn vor. Als er solch einen albernen jungen Mann vor sich stehen sah, warf er mir einen langen und strengen Blick zu. Anschließend schüttelte er vor Verwunderung den Kopf und sagte leise: „Sie hätten dieses Buch nicht schreiben sollen!“
Er hatte recht. Genauso wie ich es bei Leo Myers getan habe, und wie ich seitdem mehrmals die Gelegenheit dazu hatte, stand ich wieder vor dem außergewöhnlichen Widerspruch der menschlichen Natur und, darüber hinaus, vor der Kluft die oft den Autor, der seine Ideen zu Papier bringt, von dem gleichen Mann in seinem Privatleben trennt. Das Ziel im Islam ist es, das perfekte Gleichgewicht zwischen verschiedenen Elementen der Persönlichkeit zu finden, so dass sie harmonisch zusammen funktionieren, in die gleiche Richtung zeigen, und dem gleichen geraden Weg folgen. Genauso ist es im Westen üblich, Menschen zu finden, die völlig unausgeglichen sind, und eine Seite an sich auf Kosten der anderen entwickelt haben. Ich habe mich manchmal gefragt, ob es nicht ein Ersatz dafür ist, Weisheit zu erlangen, wenn man über sie schreibt oder redet. Es ist nicht wirklich Hinterhältigkeit, denn diese Menschen sind vollkommen aufrichtig in dem was sie sagen und schreiben. Es mag durchaus das Beste in ihnen zum Ausdruck bringen – sie kommen dem nur nicht nach.
Nach zwei ein halb Jahren kehrte ich aus familiären Gründen nach England zurück. Unter denjenigen, die mir geschrieben hatten, nachdem sie mein Buch gelesen hatten, waren zwei in Guenons Schriften bewanderte Männer, die ihm zum Islam und dessen Sufi Dimensionen gefolgt waren. Ich traf mich mit ihnen. Sie sagten, das, wonach ich offensichtlich auf der Suche war, könnte viel näher sein als in China oder Indien, in der Tradition Abrahams – das heißt, im Sufismus des Islams. Sie fragten, wann ich denn vorhätte anzufangen einen „spirituellen Weg“ zu praktizieren, den ich suchte und predigte. Behutsam aber überzeugt wiesen sie mich darauf hin, dass es an der Zeit war, das in mein Leben einzubinden, was ich in der Theorie schon wusste. Ich antwortete höflich aber ausweichend. Ich hatte nicht vor ihrem Rat zu folgen, ehe ich nicht viel älter war, und nicht alle abenteuerlichen Möglichkeiten des Diesseits erschöpft hatte. Ich begann allerdings mit wachsendem Interesse über den Islam zu lesen.
Dieses Interesse missfiel meinem engsten Freund. Er hatte im Nahen Osten gearbeitet, und starke Vorurteile dem Islam gegenüber entwickelt. Für ihn schien es absurd, dass eine solch strikte Religion eine spirituelle Ebene haben könnte. Er versicherte mir, es sei nichts weiter als äußerlicher Formalismus, blinder Gehorsam von irrationalen Verboten, Gebete die sich wiederholten, engstirniger Fanatismus und Heuchelei. Er erzählte mir Geschichten von Menschen, die den Islam ausübten, von denen er dachte, sie würden mich überzeugen. Ich erinnere mich insbesondere an die Anekdote einer jungen Frau, die schmerzhaft im Krankenhaus starb. Sie hatte die Kraft aufgebracht, aufzustehen, und ihr eisernes Bettgestell nach Mekka zu wenden, so dass sie in Richtung von Mekka sterben konnte. Mein Freund wurde krank bei dem Gedanken, dass sie wegen „dämlichem Aberglauben“ ihren Schmerz gestärkt hatte. Mir hingegen schien dies eine wundervolle Geschichte zu sein. Ich bewunderte den Glauben dieser Frau, der so fern von jeglichem Geisteszustand war, den ich mir vorstellen konnte.
Ich fand derweil keine Arbeit, und lebte in Armut. Ich bewarb mich für ziemlich jeden Job, der aushing, auch für den Posten des Assistenzdozenten für englische Literatur an der Universität von Kairo. Das war völlig verrückt – dachte ich zumindest. Ich hatte meinen Abschluss in Cambridge in Geschichte gemacht, und wusste nichts über Literatur vor dem 20. Jahrhundert. Wie könnten sie es in Betracht ziehen, jemanden so unerfahrenes einzustellen? Tatsächlich aber zogen sie es in Betracht, und stellten mich ein. Im Oktober 1950, ich war 29 Jahre alt, machte ich mich auf den Weg nach Kairo, just in dem Moment, als mein Interesse für den Islam Wurzeln schlug.
Einer meiner Kollegen war Martin Lings, ein englischer Muslim, der Ägypten zu seiner Heimat gemacht hatte. Er war ein Freund von Guenon und auch von den beiden Männern, mit denen ich in London geredet hatte. Er glich niemandem, dem ich zuvor begegnet war. Er war die Verkörperung von all dem, was bisher nur Theorien in meinem Kopf gewesen waren. Ich wusste, ich hatte endlich jemanden gefunden, der Eins war, aus einem Stück, ganz und beständig. Er lebte in einer traditionellen Unterkunft außerhalb der Stadt. Ihn und seine Frau zu besuchen, war wie dem lauten Betrieb von Kairo zu entfliehen, und eine zeitlose Zuflucht zu betreten, in der das Innerliche und Äußerliche eins waren, und in welcher all die realen Annahmen dieser Welt, an die ich gewöhnt war, nichts weiter als ein Schatten waren. Ich war fast jede Woche bei ihnen.
Ich brauchte eine Zuflucht. Ich hatte mich in Jamaika verliebt, insofern es möglich ist, sich in einen Ort zu verlieben, und ich hasste Ägypten, aus dem einfachen Grund, dass es nicht Jamaika war. Wo waren meine blauen Berge, mein tropisches Meer, meine hübschen westindischen Mädchen? Wie konnte ich nur den einzigen Ort verlassen, an dem ich mich jemals zu Hause gefühlt hatte? Aber das war bei Weitem nicht alles. Ich hatte nicht nur einen Ort verlassen, sondern auch eine junge Frau ohne die das Leben jetzt leer und kaum lebenswert erschien. Ich lernte die wirkliche Bedeutung des Wortes „Besessenheit“: eine schmerzliche Lektion, die aber nützlich ist für diejenigen, die versuchen, sich und andere zu verstehen. Nichts hatte in meinem vorherigen Leben an Wert gehabt. Die Realität war mein Bedürfnis nach dieser einen Person, die Tag und Nacht in meinen Gedanken war, und auch in meinen Träumen erschien. Als ich, im Laufe meiner Aufgaben, den Studenten Liebesgedichte laut vorlas, liefen Tränen über meine Wangen. Sie sagten sich gegenseitig: „Das ist ein Engländer mit Herz! Wir dachten, alle Engländer seien kalt wie Stein.“
Diese Studenten waren auch eine Zuflucht, insbesondere eine kleine Gruppe von fünf oder sechs „Senior“ Studenten. Ich mochte zwar Ägypten dafür hassen, dass ich 8.000 Meilen von dem Ort entfernt war, an dem ich sein wollte, aber ich liebte diese jungen Ägypter. Ich hatte Freude an ihrer Wärme, ihrer Offenheit, und dem Vertrauen das sie in mich hatten, sie zu lehren, was sie wissen mussten. Bald begann ich auch ihren Glauben zu lieben, denn diese jungen Menschen waren gute Muslime. Ich hatte keine Zweifel mehr. Falls ich es jemals für möglich halten sollte, mich zu einer Religion zu bekennen – mich in einer Religion gefangen zu halten –, dann konnte das nur der Islam sein. Aber noch nicht jetzt! Ich dachte an das Gebet von Sankt Augustin: „Herr, mach mich keusch, aber noch nicht jetzt“. Und dabei war ich mir bewusst, dass im Laufe der Zeit andere junge Männer mit der gleichen Zurückhaltung für Keuschheit, Frömmigkeit oder ein besseres Leben gebetet hatten; und viele von ihnen hatte der Tod in diesem Zustand geholt.
Wären die Bedingungen gleich geblieben, hätte ich nie aufgehört, zu zögern. Auch mit der Absicht, letzten Endes den Islam anzunehmen, hätte ich den entscheidenden Akt noch Jahre vor mich her schieben, und „Nicht jetzt!“ sagen können. Aber es blieb nichts gleich. Als die Monate verstrichen, wuchs meine Sehnsucht nach Jamaika und dieser einen Person immer mehr, anstatt zu sinken. Es war als würde sie sich von sich selbst ernähren. Eines Morgens wachte ich auf, und mir war klar, dass ich nur nicht auf die Insel zurück kehrte, weil mir das Geld dazu fehlte. Ich recherchierte, und fand heraus, dass ich die Reise an Bord eines Dampfers für 70 £ machen konnte. Ich war mir sicher, diese Summe bis zum Ende des Semesters sparen zu können. Mein Leben veränderte sich mit einem Mal. Da ich nun wusste, dass die Flucht aus Kairo nahe war, konnte ich sogar anfangen, Gefallen daran zu finden. Eine Frage aber brauchte nun eine feste Antwort, und diese Antwort konnte nicht länger verschoben werden. Die Gelegenheit, den Islam anzunehmen mochte vielleicht nie wiederkommen. Vor mir war eine offene Tür. Ich dachte, sie würde sich für immer schließen, wenn ich nicht durchging. Ich wusste aber auch, welches Leben ich in Jamaika führen würde, und ich zweifelte daran, ob mein Charakter die Kraft dazu haben würde, in dieser Umgebung als Muslim zu leben.
Ich traf eine Entscheidung, die für die meisten schockierend scheinen musste, nicht nur für die Muslime. Ich beschloss, einen „Samen in mein Herz zu sähen“, und den Islam in einem Male zu akzeptieren, in der Hoffnung der Samen würde eines Tages keimen, und zu einer gesunden Pflanze heranwachsen. Ich werde mich hierfür nicht entschuldigen. Ich würde auch keinem Übel nehmen, wenn er mich als unaufrichtig und der falschen Absicht beschuldigt. Aber es ist möglich, dass dieser die Bereitschaft Gottes unterschätzt, die menschliche Schwäche zu verzeihen, und Seine Macht, Pflanze und Frucht aus einem, im Boden gesäten Samen, hervorzubringen. Wie dem auch sei, stand ich unter einer Art Druck, und wusste, was ich zu tun hatte. Ich ging zu Martin Lings, schüttete ihm meine Geschichte aus, und bat ihn darum, mir die Schahada zu geben: in anderen Worten, mein Glaubensbekenntnis anzunehmen. Wenn auch zunächst zurückhaltend, tat er es. Voller Angst und dennoch voller Freude betete ich zum ersten Mal in meinem Leben. Ich fastete am nächsten Tag, denn es war Ramadan. Das war etwas, das ich mir davor nie hätte vorstellen können zu tun. Kurz darauf überbrachte ich meinen „Senior“ Studenten die Nachricht. Ihre Freude war wie eine warme Begrüßung. Ich hatte mich ihnen schon vorher nahe gefühlt, aber nun verstand ich, dass es eine Mauer zwischen uns gegeben hatte. Diese Mauer war nun entfernt worden, und sie akzeptierten mich als ihren Bruder. In den sechs Wochen, die mir vor meiner heimlichen Abreise verblieben (ich hatte meinem Abteilungsleiter nichts gesagt), kam einer von ihnen jeden Tag um mir den Qur’an zu lehren. Ich schaute mein Spiegelbild an. Das Gesicht war das gleiche, aber es bedeckte eine andere Person. Ich war ein Muslim! Immer noch in einem Zustand der Verwunderung, ging ich in Alexandria an Bord, und segelte davon in eine ungewisse Zukunft.
Quelle: "Islam und die Bestimmung des Menschen"
gefunden : http://www.salaam.co.uk/themeofthemonth/june02_index.php?l=21
Übersetzung nach bestem Wissen und Gewissen durch Suzanne C. erstellt